Deutlich

Eine sehr alte Empfehlung sagt aus: “Fehlen dir die Füße zum Reisen, so reise nach innen”.

Bevor einer eine Skulptur herstellt, wird er wohl gezwungen zu entscheiden, auf welchem Weg er die Skulptur denn erstellen möchte. Soll die Skulptur entstehen, indem dem Nichts Batzen auf Batzen hinzugefügt, oder über den Weg, einem Ganzen Stück für Stück abzuschlagen?

Da Absicht und Tat eine Einheit bilden, stellte sich somit als Erstes die Frage, welche Absicht mit der Tat verfolgt werde, also was das Ziel, das durch die Tat angestrebt, denn das Ende ist bereits in den Anfang gesteckt. Ist doch zuerst das Ziel da, dann der Mechanismus, um es zu erreichen.

Der Unterschied zwischen einem bestimmten Ziel und einem unbekannten Ziel ist, dass bei einem bestimmten Ziel jedes Tun sich diesem zwingend unterwerfen müsse, damit jeder Schritt zu Gewissem führe, bei unbekanntem Ziel jedoch nicht, dort führt jeder Schritt ins Ungewisse. Beiden gemeinsam ist, dass am Ziel angekommen sich eine Skulptur ergibt.

Sprechen ist keine Tat, sondern nur Teil einer Tat. Was die Frage aufwerfe, ob die Tat einen Bestandteil sprechen zwingend erfordere, damit die Tat ihr Ziel erreiche, da ohne diesen Bestandteil das Ziel nicht erreichbar wäre, oder ob die Tat auch ohne Sprechen ihr Ziel erreiche, oder ob Sprechen das Erreichen des Ziels sogar verhindere.

Allen menschlichen Sprachen gemeinsam ist, dass sie ausschließlich aus Bausteinen zusammengesetzt, und jeder einzelne Baustein, ob Nomen, Verben, Adjektive, Präpositionen, etc. in ihnen ausnahmslos auf dem System des Vergleichens beruht, angewandt auf eine begrenzte Menge von Bezeichnern, worüber die Begrenztheit einer bestimmten Sprache beschrieben.

Da alle Dinge sowohl aus Unvergleichbarkeit als auch aus Vergleichbarkeit gemacht, ergibt sich sowohl, dass über Dinge nur solches ausgesagt werden kann, was aus Vergleich hervorgegangen, als auch, dass jedes Ausgesagte nur Aussage über vorgenommenem Vergleich ist, aber auch nicht mehr.

Essentielles_Wesen_2
“Denn das ursprüngliche Sein, der Wesensbegriff, ist bei jeglichem Gegenstande das ihm eigentümlich Zukommende, was bei keinem anderen so vorkommt; das Allgemeine dagegen ist ein mehreren Gemeinsames.” [De anima. IV 5, 120] (isl.: eðli, dt.: -)

Womit sich die Frage nach dem Sinn von Vergleichen stelle, wenn damit doch nichts Essentielles (eðli) festgestellt, da das Ding darüber keineswegs in notwendigem Umfang beschrieben. So erfreuen sich die Vergleichenden in ihren erzeugten Verstrickungen, und die Dinge daran, dass für sie selbst es weder Trennung noch Einigung gibt.

Die Anzahl gesprochener und geschriebener Sätze entwickelte sich in sogenannten zivilisierten Superorganismen innerhalb von nur hundert Jahren exponentiell, und ermöglichten damit den Erkenntnisgewinn, dass Alphabetisierung im besten Fall nicht mit Arete, also Besonnenheit, Freigebigkeit, Gerechtigkeit und Großzügigkeit korreliert, und im schlimmsten Fall diese sogar verhindert. Hätten die Erfinder der kollektiven Intelligenz statt das selbstorganisierte Zusammenspiel der Ameisen zu interpretieren das Verhalten der Elritzen in einem Schwarm wissenschaftlich untersucht, wäre ihnen vermutlich nicht der Fehler unterlaufen, auf die Summierungsthese zu verweisen, indem sie Intelligenz mit Arete  verwechseln.

In Summe kann angesichts der hier angestellten kurzen Betrachtungen nur als grober Unsinn aufgefasst werden, sich nicht die Frage zu stellen,  was denn die Tat sei, die den Bestandteil sprechen zwingend erfordere,  damit das Ziel erreicht werden könne,  und daher zu dem Unfug zwinge,  wertvollste Zeit in der Abgeschiedenheit eines Raumes zu vergeuden, und vor einem Bildschirm sitzend mit Fingern Sätze abzusondern, und mit den Augen projizierte Sätze zu scannen.

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Alftavatn

Um das Ausmaß des damit begangenen  Unfugs zu fassen, genügte bereits ein kurzer Blick auf die spiegelnde Fläche des Alftavatn. Wer noch nie im Abgebildeten sich aufgehalten, hält das Abbild für eine präzise und ausreichende Wiedergabe des Abgebildeten.

Es liegt noch nicht lange zurück, als auf isländischen Gehöften vorbeiziehende Reisende in das Haus gebeten wurden, mit der Bitte, doch über Nacht verweilen zu wollen. Wer jemals die Abgeschiedenheit isländischer Gehöfte sich erfahren hat, weiß um jene Stille, in welcher Erkenntnis reift, und wer jemals hinauszog, weiß um das Wissen, welches sich darüber erfahren lasse. Mühe erweitert eigene Aufmerksamkeit, Müheloses die Dummheit.

Jene Tage, an denen auf den Gehöften über ein wir beide vis-a-vis Erkenntnis und Erfahrung getauscht werden konnte, wurden daher als Festtage aufgefasst. Es gibt glaubhafte Anhaltspunkte für die Annahme, dass jene seltenen Tage es waren, die Island zu dem schufen, was es heute von anderen Ländern signifikant unterscheidet, wie zum Beispiel ein Vokabular, welches kein Wort für die 1. Person Plural im Nominativ enthält.

Und genau dies ist die Tat, die den Bestandteil sprechen zwingend erfordert, um das beabsichtigte Ziel erreichen zu können: vorbeiziehenden Reisenden anzubieten, hier eine Rast einzulegen, damit über ein wir beide Erkenntnis und Erfahrung getauscht werde.

Da unbekannt ist,  ob und welche Reisende das Angebot annehmen, hier eine Rast einzulegen, um über ein wir beide Erkenntnis und Erfahrung tauschen zu wollen, kann das sich darüber ergebende Ziel nur unbekannt sein, führt jeder Schritt ins Ungewisse.

Daher: Áfram!

Bernhard Pangerl, Herausgeber

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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