Wenn dein Herz schweigt

(C) Ragnar Ómarsson

stille entfloh mit dem wind gegen norden
blumen bedeckten mit erdreich ihr herz
menschen ergötzten sich gähnend am morden
und seelen verschmorten in sengendem schmerz

liebe erstickte in dröhnendem lachen
wärme verkroch sich fröstelnd in’s laub
augen, die mahnend sonst frieden bewachen
bedeckten verzweifelt sich selber mit staub

männer erdrückten selbst kinder zum schweigen
frauen ergaben sich lärmendem spiel
völker ertranken in wirbelndem reigen
und worte verdorrten  – sie galten nicht viel

ZKN3 – Zettelkasten nach Niklas Luhmann von Dr. phil. Daniel Lüdecke

Nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Schüler, Studenten, Leseratten und Schreiberlinge fühlen sich durch die Informationsüberflutung völlig überfordert, das Gelesene in seiner Fülle überschaubar zu machen, wolle einer zu einem späteren Zeitpunkt aus gegebenem Anlass auf die gelesene Textstelle zurückgreifen. Ist einer gewillt, die Fülle des Lesestoffes für einen späteren Zugriff zu sichern, so bleibt wenigstens dem Haptiker die Methode, den Textausschnitt in dem Buch mit einem Textmarker zu markieren und die Seite mit einem Lesezeichen zu versehen. Allerdings wird durch diese Methode nicht festgehalten, aus welchem Grund denn diese Textstelle festgehalten wurde, so dass sich der Haptiker auf sein Erinnerungsvermögen verlassen muss, um zu wissen, wo sich denn der gerade benötigte Text befindet und falls dieses Wissen verloren ging, beginnt die Suche, indem jede Seite mit einem in Frage kommenden Lesezeichen geöffnet wird. Was sehr zeitraubend ist und nicht nur den eigentlichen Zweck der Suche unterbricht, sondern auch ergebnislos sein kann, wenn wegen der Fülle der Lesezettel die Suche entnervt abgebrochen wird.

Da ist von großem Vorteil, wenn der Suchende über ein komfortables Arbeitswerkzeug verfügt, welches die Lesezeichen ersetzt und eine rasche und gezielte Suche anhand von Literaturquellen und Schlagwörtern ermöglicht. Der Soziologe Niklas Luhmann ersetzte einst die Lesezeichen durch einen Zettelkasten, was Dr. phil. Daniel Lüdecke dazu inspirierte, ein Programm bereitzustellen, womit das Sammeln und Verwalten wichtiger Textstellen, Exzerpte und Gedanken als auch die anschließende Verwendung dieser Textsammlung zwecks Textproduktion wesentlich erleichtert und effektiver gestaltet werden kann. Das Programm ist kostenlos, in seiner Nutzungsdauer und im Nutzungsumfang nicht eingeschränkt und darf sowohl privat als auch beruflich eingesetzt werden. Für die Bedieneroberfläche können je nach Bedarf die Sprachen Deutsch, Englisch, Spanisch und Portugiesisch gewählt werden, bei der Sammlung von Texten kann jedes Alphabet angewendet werden.

Der Zettelkasten ZKN3 kann sowohl auf das Betriebssystem Windows wie auch auf die Betriebssysteme Linux und Mac OS X heruntergeladen werden, der zur Verfügung gestellte Link für den Download wird sowohl in Deutsch wie auch in Englisch bereitgestellt.

Mit dem installierten Zettelkasten können laut Dr. phil. Daniel Lüdecke Literatur, Textstellen und Zitate gesammelt, übersichtlich archiviert und verwaltet werden. Jeder Zettel wird mit Quellenangaben und Schlagwörtern versehen und erleichtert somit sowohl das Verknüpfen von thematisch ähnlichen Zetteln als auch das Wiederfinden und gezielte Suchen von eingetragenen Zetteln. Der Hersteller fügt hinzu: „Neben automatisch erstellten Verweisen, die thematisch zusammenhängende Zettel verknüpfen, bietet der Zettelkasten die Möglichkeit, manuelle Verweise auf andere Zettel zu erstellen. Darüber hinaus kann man, ähnlich wie Luhmann es praktiziert hat, Zettel fortführen. Mit den so genannten Folgezetteln gibt es eine weitere Möglichkeit, den Zettelkasten zu strukturieren und relevante Querverweise und thematische Cluster zu erstellen.“

Nach erfolgreicher Installation kann ein neuer Zettelkasten angelegt werden. Dem Benutzer werden daraufhin die Eingabebereiche Zettel, Schlagwörter, Verweise, Folgezettel, Literatur, Überschriften, etc. bereitgestellt, welche noch ohne Inhalt sind.

Eine mögliche Vorgehensweise zur Aufzeichnung gefundener Textstellen soll anhand eines kleinen Beispiels demonstriert werden. Die Demonstration umfasst zwar nicht den gesamten Funktionsumfang der Software, sollte jedoch für eine erste Annäherung genügen.

Ein Text, welcher für die Zukunft festgehalten werden soll, wird mit dem Button „Neu“ entweder erfasst oder für den Fall, dass er elektronisch verfügbar ist, mit Copy-Paste übernommen und eine passende Überschrift hinzugefügt. Daraufhin werden gefundene Schlagwörter im Text markiert, in das Schlagwort-Verzeichnis übernommen und der Literaturhinweis im Eingabefeld „Quellenangabe“ erfasst. Befindet sich das Schlagwort bereits im Schlagwort-Verzeichnis, wird das Schlagwort im Tab „Schlagwörter“ markiert und mit dem Button „Hinzufügen“ der Schlagwortliste des Zettels hinzugefügt. Auf die gleiche Art und Weise kann eine bereits vorhandene Literaturquelle im Tab „Literatur“ markiert und dem Zettel hinzugefügt werden.

Mit der Zeit entsteht auf diese Art und Weise eine umfangreiche Literaturliste mit Textquellen und Schlagwörtern, welche für eine spätere Recherche herangezogen werden kann. Werden zum Beispiel Texte anhand einer Überschrift gesucht, wird im Tab „Überschriften“ die gesuchte Überschrift ausgewählt, worauf der Inhalt mit Literaturangabe angezeigt wird.

Wird eine Literaturquelle im Tab „Literatur“ ausgewählt, erhält der Benutzer eine Liste aller hierzu erfassten Zettel.

Ist der Benutzer an einem Inhalt eines Zettels aus dieser Quelle interessiert, wählt er den entsprechenden Zettel in der Liste anhand dessen Überschrift aus und erhält den Inhalt des Zettels mit der Literaturangabe und den im Text enthaltenen Schlagwörtern.

Die Liste der Schlagwörter gibt auch Auskunft darüber, wie oft ein Schlagwort in den erfassten Zetteln gefunden wird.

Schreiberlinge, Schüler und Studierende können zusätzlich die auf solche Art und Weise zusammengetragenen Zettel für eine Textproduktion (Aufsatz, Studienarbeit, etc.)  über die Funktion „Schreibtisch“ heranziehen, auf welchem eine Gliederung erstellt wird und Zettel den Gliederungspunkten zugeordnet werden, ergänzt um Überschriften und eigene Texte in Form von Kommentaren.

Niklas Luhmann bekannte einst in einem Interview: „Ohne die Zettel, also allein durch Nachdenken, würde ich auf solche Ideen nicht kommen. Natürlich ist mein Kopf erforderlich, um die Einfälle zu notieren, aber er kann nicht allein dafür verantwortlich gemacht werden.“ Dies gilt aller Erfahrung nach nicht nur für ihn, sondern für alle. Oder etwa nicht?

In memoriam des UNO-Vetorechts der Atommächte

Anno Gestern ergab es sich, dass sich der Staat an den wohlgebauten Körpern seiner Jugend erfreute und die große vaterländische Pflicht verkündete. Die Staatsmänner selbst waren betrüblicherweise als Wohnzimmerkrieger dazu außerstande, ihre vaterländische Pflicht zu erfüllen und es war zu vernehmen, dass sie erbärmlich darunter litten.

Nun, jeder stehe an seinem Platz.  Familienvater Rúnar – nunmehr Feldwebel Rúnar – schickte sich an, Einfamilienhaus, Schnuckiputzi, samt Kinder und Blautanne zu verteidigen und lag bereits die zweite Woche im erfolgreichen hinhaltenden Kampf nördlich von Akureyri, als hoch über den Tannen ihm weiße Streifen ankündigten, dass sich im Hinterland wohl ein Atomziel befinden müsse. Ein Lachkrampf erschütterte den Schützengraben, als Feldwebel Rúnar – immer noch Familienvater Rúnar – mit dem G3 auf die Rakete schoss, um seine Familie zu schützen. Als man ihm unmittelbar nach dem Gefecht in Akureyri die Nachricht überbrachte, dass seine Familie in Hólmavík tapfer vor dem Feind gefallen sei, schwoll seine Brust in vaterländischem Stolz.

Der Antrag auf Heimaturlaub wurde abgelehnt, da in Hólmavík ohnehin nichts mehr zu beerdigen sei. Als Rúnar seine Mannen zu neuem Sturmangriff auf den Berg führte, durchjagte eine Kugel den schriftlichen Bescheid in seiner Brusttasche. Der Bescheid offerierte ihm, dass er in dreißig Jahren, also unmittelbar vor seiner Rente, Anspruch darauf hätte, im Planquadrat XYZ – ehemals Hólmavík – ein Haus zu errichten. Der Bescheid verwies darauf, dass es sich dabei um das ehemalige Grundstück handle, dies nach wie vor sein Grundstück sei, das Grundstück allerdings mit der Auflage versehen worden sei, dass darauf für die nächsten 50 Jahre keinerlei Nahrung angebaut werde dürfe, welche geeignet wäre, in den öffentlichen Handel zu gelangen. Die Früchte seiner Arbeit könne er jedoch zur Deckung des Eigenbedarfs ernten, da diese bedenkenlos für den Verzehr geeignet wären. Im Übrigen werde er, Rúnar, in Würdigung des hohen Blutzolls, den seine Familie zur Verteidigung seines Vaterlandes erbracht habe, mit der Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Die Regierung bedaure aufrichtig, dass er pflichtgemäß seiner Familie in ihrer Todesstunde nicht habe beistehen können. Der Bescheid versicherte ihm jedoch, dass seine Familie einen humanen Tod erlitten hatte, sie hätten keinerlei Schmerz empfunden.  

Während der Genesungszeit im Lazarett konnte sich Feldwebel Rúnar – nun nicht mehr Familienvater Rúnar – hingegen nicht entblöden, einen zweifelnden Blick auf seine Braut neben den anderen G3´s zu werfen und beschloss daher, am Totensonntag für seine Familie sammeln zu gehen – in Uniform, am Denkmal, welches von einem internationalen Scherbengericht in Reykjavík nach der Abschaffung des UNO-Vetorechts für Atommächte errichtet wurde.

Die Macht der Vorstellungskraft, um begrenzende Erzählungen zu überwinden

Titel: Nachruf auf die Leere
Autor: Yamen Hussein
ELIF Verlag
ISBN: 978-3-946989-36-3
18 €, 120 Seiten

​Vorab sei angemerkt, dass Hinweise darauf, wodurch dem Dichter, Mathematiker und Journalisten Yamen Hussein der Ausbruch aus der Leere gelang, dem Haptiker vorbehalten sind. Der Gedichtband kann beim ELIF-Verlag problemlos online bestellt werden. Dieser Versuch einer Betrachtung beschäftigt sich nur mit den Hinweisen des Dichters auf die Ursachen der Leere.

Im März 2021 publizierte der ELIF-Verlag mit dem Gedichtband “Nachruf auf die Leere” Gedichte von Yamen Hussein, ins Deutsche übersetzt von Leila Chammaa und Jessica Siepelmeyer. Bereits der Titel des Gedichtbands lässt aufhorchen: Was wird hier unter dem Begriff “Leere” verstanden? Das Nichts, ein Begriff, zu welchem die Philosophen viele Bedeutungsaspekte im Lauf der Jahrhunderte diskutieren? Oder das Gefühl einer Person, nichts zu haben, was sie erfülle? Bedeutet “Nachruf” nicht einen Text über einen Verstorbenen?  Vermutlich beantwortet das Gedicht “Geburtsurkunde” die offene Frage:

Geburtsurkunde

Natürlich erinnere ich mich nicht an meine Hebamme, die meinen Kopf aus einem Dunkel ins nächste gezogen hatte.

Es wäre in Missverständnis und ein grober Irrtum, die Aussage des Autors über das Dunkel nach seiner Geburt dahingehend auszulegen, seine Gedichte wären Ergebnisse  eines Flüchtlings, der vor einem autoritären Regime geflüchtet sei. Dies würde seine Selbstaussage als Lüge hinstellen, der zufolge Poesie für ihn sehr wichtig für die Entwicklung des Selbst ist. Er studierte Mathematik und schrieb Gedichte, welche nur für ihn persönlich waren, zum einen durch die Tür der Mathematik, weil er die formelhafte Natur der Mathematik genieße, zum anderen durch die Tür des Journalismus, wobei er an das „Wer, was, wo“ verschiedener Erfahrungen in seinem Leben dachte. Zudem betrachtet er die Einstufung als „Flüchtling“ als problematisch und verweist zu Recht darauf, dass auch Thomas Mann ein Flüchtling war, sich allerdings niemand sich an ihn als „deutscher Schriftsteller“ oder „Flüchtlingsschriftsteller“ erinnert.

Yamen Hussein bekannte in einem Interview, dass er für kein beabsichtigtes Publikum schreibe, sondern ehrlich gesagt nur sich selbst schreibe. Wenn es sich nun nach der Selbstaussage des Verfassers der Gedichte so verhält, dass seine Gedichte nicht auf eine Außenwirkung zielten, sondern für ihn selbst persönlich gedacht sind, da solches wichtig für die Entwicklung des Selbst – und die Lektüre der Gedichte erlaubt nicht den geringsten Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Selbstaussage -,  läge dann nicht die Schlussfolgerung nahe, dass das Dunkel die Ursache der Leere sei und die Poesie in Form eines Nachrufs dieses Dunkel nach und nach ans Licht bringe, mit anderen Worten: Ein Weg, um Hoffnung zu stiften, da – wie der Autor darlegt – Poesie uns in eine andere Welt versetze, uns die Kraft zu lieben, zu fühlen und zu lachen gebe? Da laut Albert Einstein Mathematik auf ihre Art die Poesie logischer Gedanken ist und der Autor seine Gedichte auch durch die Tür der Mathematik schrieb, und da der Autor dabei nicht auf Außenwirkung aus war, besteht die Hoffnung, etwas über jene Transformationen zu erfahren, welche im Stillen stattfinden, über die Macht der Vorstellungskraft, begrenzende Erzählungen zu überwinden.

Graciela Selaimen schrieb in ihrem Aufsatz “Beyond Impact and Scale: Affection as Living Transformation”: „Wir leben in der Illusion, Erfolg werde in Likes, Shares und Follower-Zahlen gemessen. Dieselbe Besessenheit von „Wirkung“ führt auf individueller Ebene zu Versagensängsten. Es ist die Logik „je sichtbarer, desto besser“ – selbst wenn Sichtbarkeit nicht unbedingt Verbindung, Tiefe oder echte Transformation bedeutet. Likes sagen nichts über Zuhören aus. Engagement ist nicht unbedingt Beziehung. Und Viralität ist oft nur Lärm. Und wenn wir zulassen, dass diese Maßstäbe bestimmen, was wertvoll ist, laufen wir Gefahr, das Wesentliche zu verlieren: Sorgfalt, Zeit, gegenseitige Einbindung – die Art von Transformation, die im Stillen, in den unterirdischen Netzwerken lebender Prozesse stattfindet.“

Jedoch, was ist unter dem Terminus „begrenzende Erzählungen“ zu verstehen?

Tauschhandel

Oh Land der aufgereihten Leichen,
ich gebe deine Ethnien, Nationen, Fahnen, Religionen her
für einen Schuh, den ich trage auf einem endlosen Weg
ohne Blick zurück.

Marina Babl schrieb in ihrem Beitrag zu dem Gedichtband „Siebzehn Minuten“ über die Gedichte von Yamen Hussein: „Innerhalb von 17 Minuten könnte man außerdem, wenn man es darauf anlegt und sich beeilt, den schmalen  Gedichtband von Yamen Hussein einmal von vorne bis hinten komplett durchlesen. Oder auch nur ein Gedicht daraus und sich das Gelesene im Kopf zergehen lassen, die Worte sacken lassen, nachdenken. Denn das Ungesagte wiegt in diesem Band schwerer als die wenigen, wohlplatzierten schwarzen Buchstaben.

Da Yamen Hussein in einem Interview darauf hinwies, dass er Gedichte auch durch die Tür des Journalismus schreibe und dabei an das „Wer, was, wo“ denke, ist davon auszugehen, dass er nicht nur zu präzisen Aussagen befähigt ist, sondern darüber hinaus auch in der Lage ist, die Frage „Was ist X“ zu beantworten, also die Essenz von „X“  zu erklären. Sind es doch oft Ausdrücke des allgemeinen Gebrauchs, die zur allgemeinen Währung der Kommunikation geworden sind, über deren Definition oder Erklärung sich die Menschen keine Gedanken machen, obschon diese nur verbale Statthalter sind und diese dazu verwendet werden, um zu suggerieren, einer wisse wovon er redet und spricht, als hätte er bereits alles begriffen. So erscheint zum Beispiel der Begriff „Nation“ im Verbund mit Aussagen über so unterschiedliche Begriffe wie Souveränität, Territorium, Grenze, Regierung, etc. Der Begriffsname signalisiert jedoch, dass hier noch Fragen offen sind, demnach Vorsicht und Verantwortung geboten ist, und Misstrauen angebracht ist gegenüber jene, welche zu verstehen vorgeben, was tatsächlich noch nicht begriffen worden ist.

Es ist davon zu lesen, dass Begriff, Ausdruck, Bedeutung und Definition in engem Zusammenhang stünden, da sie alle Aspekte der sprachlichen Repräsentation und Erfassung von Konzepten betreffen. Ein Begriff sei eine gedankliche Einheit, die durch einen Ausdruck, also eine sprachliche Form (Wort oder Wortgruppe), repräsentiert werde, die Bedeutung eines Ausdrucks sei jenes, was er bezeichne, also die Vorstellung oder das Konzept, das er hervorrufe, und eine Definition sei eine präzise Erklärung der Bedeutung eines Begriffs, die seine wesentlichen Merkmale herausstelle. Wenn dem so ist, liegt folgende Schlussfolgerung nahe:

Die Annahme, der Dichter beziehe sich mit dem Satz „Oh Land der aufgereihten Leichen“ nur auf sein Herkunftsland und nicht auf alle Länder, ist daher ein Irrtum, was an dem Plural des Wortes „Nation“ unschwer zu erkennen ist. Es gibt keinen allgemein anerkannten Begriff der Nation, was auf dessen ausschließlich legitimierender Aufgabe zurückzuführen ist, um die Gegenwart zu rechtfertigen. Handelt es sich doch bei dem Begriff „Nation“ nicht um etwas von Natur aus Gegebenes, sondern um etwas geschichtlich Gewordenes. Es muss einer schon jeden Geschichtsunterricht verschlafen haben, um nicht zu wissen, dass jene Gebilde, welche sich „Nation“ nennen, in der Regel aus drei Ereignissen heraus entstanden sind: Entweder haben sich abhängige Kreaturen einer Person unterworfen, welche ihre Familienangelegenheiten oder persönlichen Ansprüche dazu nutzten, ihre auf solche Art und Weise entstandenen „Untertanen“ auszusenden, damit sich diese in sogenannten Schlachten gegenseitig ermorden, oder eine Horde an Dieben und Mörder massakrierten die Bevölkerung eines Landes in einem Genozid, pferchten die Überlebenden in Reservate und stahlen deren Land. Da dies noch nicht genug, setzten sich bezüglich der noch übrig gebliebenen Länder Personen zusammen, zeichneten auf Landkarten Linien mit einem Bleistift bei Ländern, welche nicht die eigenen waren, nannten diese Linien „Grenze“ und teilten die auf solche Art und Weise entstandenen Gebilde unter sich auf.

Zudem fällt auf, dass es sich bei den weiteren Wörtern der Aufzählung um gar keine Begriffe handelt, sondern nur um Erfindungen, welche aus begrenzenden Erzählungen hervorgewürgt. So gibt es zum Beispiel bei dem Wort „Religion“ keine allgemeine Definition, bei dem Wort „Ethnie“ gibt es noch nicht einmal einen Gegensatz, da es sich dabei nur um Konzepte einer Selbstzuschreibung oder Fremdzuschreibung handelt, welche nur dazu nützlich, um das Identische, Gemeinsame als Unterschiedliches zu brandmarken.

Galgen

Die Grenzen deines Landes schlängeln sich,
sehen .auf der Karte aus
wie eine Schlaufe, in die ein Kopf passt.
Wirst du gefragt, Flüchtling,
aus welchem Land du kommst,
dann antworte:
Vom Hinrichtungsplatz
umgeben von Henkerländern.

Auf Grundlage der Aufzählung jener Wörter, welchen gar kein Begriff zugrunde liegt, da es an deren Definition mangelt, also einer präzisen Erklärung der Bedeutung der aufgezählten Wörter, und angesichts der Realität, welche jedem bestens bekannt sein dürfte, so er des Lesens, Hörens und Verstehens mächtig, präzisiert der Dichter die begrenzende Erzählung „Nation“ anhand wesentlicher Merkmale folgerichtig durch die gedankliche Einheit „Henkerland“.

Was bei den in der Aufzählung angegebenen Wörtern von den Gesellschaften als vorhandenes Wissen ausgegeben, entpuppt sich bei sorgfältiger Analyse der Fakten tatsächlich nur als Glauben, also einer Haltung der persönlichen Zustimmung, gepaart mit einer positiven Einschätzung, was den Dichter dazu nötigt, auch die Definition des Wortes „Glauben“ richtigzustellen, also jenes, was gutzuheißen ist und was nicht gutzuheißen ist:   

Vision

Begehe die Erde behutsam,
sie spiegelt deinen Körper.
Unterwirf dich nicht –
Weder Gott, den Eltern noch einer Idee.
Glauben bedeutet zu lieben, nicht unterworfen zu sein
und nicht zu unterwerfen.

Disput mit Gott

Wenn Kinder geboren werden,
ihren ersten Erfolg haben,
den ersten Milchzahn bekommen,
das erste Wort sagen,
wenn sie sterben
durch Hunger, eine Kugel, abgereichertes Uran
heben wir sie hoch
vor Freude und Trauer,
als Beweis für deine Existenz,
aus Protest gegen dich.

Spätestens mit diesem Gedicht wird deutlich, dass sich die Feststellungen des Dichters nicht auf sein Herkunftsland beziehen. Ist es doch nachweislich nicht sein Herkunftsland, welches bei den Kriegen im Irak, in Syrien und Bosnien abgereichertes Uran verwendete, sondern jene Länder, welche auch weiterhin darauf bestehen, Uranmunition einzusetzen, was dazu führte, dass die „Nationen“ USA, Großbritannien, Frankreich und Israel im Jahr 2015 die 6. UN-Resolution zur Ächtung der DU-Waffen ablehnten.

Ferner wird daraus ersichtlich, dass dem Dichter auch noch der Unterschied zwischen den drei Weltreligionen und dem Monotheismus bekannt ist. Legitimieren sich doch alle drei Weltreligionen durch den Satz „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ im ersten Buch der Thora, dem Buch Genesis, so als hätte da ein Bäcker ein Brot hergestellt. Was deren Klerikern ermöglichte, sich zwischen dem Bäcker und das Brot zu schieben, also zwischen jenem, von dem sie behaupten, es habe sie hierzu aufgefordert, und ihren Mitmenschen, um über diese Anmaßung nach Gusto ex cathedra – also kraft „höherer Entscheidungsgewalt“ – durch „Auslegung“ bestimmen zu können, sich dazu sogar in dem Wahn befindend, dafür die Gebote des Bäckers ignorieren zu dürfen. Diese Anmaßung als solche erkennend, wendet sich der Dichter in seinem Protest – an die Backstube.

In einem Brief an einen Freund schrieb der Dichter: „Lassen wir uns das Exil als Versuch begreifen, unsere Erfahrung zu bereichern und unsere Sensibilität für menschliche Probleme weiterzuentwickeln. Dies sind als Erstes die Gerechtigkeit, als Zweites die Freiheit und als Drittes die Liebe und Solidarität.“ Dies ist ihm zweifelsfrei vortrefflich gelungen.

Frohe Weihnachten

Ein Mensch hämmerte sein ganzes Leben lang an die Tür zum Paradies und begehrte Einlass. In die Jahre gekommen, ermatteten seine Arme.  Er drehte sich um, setzte sich müde auf die Stufe vor der Tür, lehnte erschöpft seinen Rücken an die Tür, blickte hinaus und erkannte, dass er sein Leben lang an der falschen Seite der Tür geklopft hatte.

Frohe Weihnachten und viel Gesundheit, Glück und Erfolg im Neuen Jahr 2024 wünschen

Die Herausgeber von ALGORITHMICS á Íslandi

„Mein erfundenes Leben“

(c) Copyright Katalin Hepp

Die Begleiterin, Frau  Astrid Habiba Kreszmeier, Lehrthearapeutin für Einzellehrtherapie, welche die Autorin seit 20 Jahren kennt, weist in ihrer Buchempfehlung am 22. Februar 2022 darauf hin, es sei der Autorin ein Anliegen gewesen, dass es nicht lektoriert werde: „[Katalin Hepp] ist ein bemerkenswerter, eigensinniger, liebevoller, willensstarker und lebensmutiger Mensch. Dieser besonderen Mischung ist es wohl auch zu verdanken, dass sie ab dem Frühjahr 2021 neun Monate lang konsequent an ihrem Buch gearbeitet hat, ehe es im Januar 2022 tatsächlich erscheinen konnte. Das Werk wird wohl nie in den öffentlichen Handel kommen. Ebenso wird es – ausser hier – wohl kaum zitiert werden und schon gar nicht rezipiert. Dennoch scheint es mir wert, dieses Buch hier vorzustellen. Nicht weil ich einer jungen Frau mit einer seltenen, genetisch bedingten Behinderung einen Gefallen tun will, sondern weil es ein lesenswertes Buch ist, über das es sich zu sprechen lohnt. Eine Rezension also.“

Es ist in der Tat ein sehr lesenswertes Buch und erfreulicherweise kann das Buch „Mein erfundenes Leben“ mittlerweise in jeder gut sortierten Buchhandlung erworben werden.

Auf der Rückseite des Buches weist die junge Autorin  Katalin Hepp darauf hin, dass sie mit dem Niikawa-Kuroki-Syndrom geboren wurde, kennt daher aus eigener Erfahrung die übliche Neigung zu Vorurteilen, so dass Sie sich aus gutem Grund zu einer Klärung genötigt sah:  „Ich habe das Buch alleine geschrieben, bitte beachtet nicht die rechtschreibfheler, sondern den Inhalt“.

Bereits die Rückseite des Buches eröffnet auch jenen Lesern, welche irrtümlich und ignorant nicht dazu in der Lage sind, Oberfläche von Inhalt unterscheiden zu können, obschon eine Oberfläche nicht das Geringste über Inhalte aussagen könne, die Möglichkeit, diesen Unsinn zu erkennen und zu korrigieren.

(c) Copyright Katalin Hepp

Wird doch jenes, was wahrgenommen wird, stets auch beeinflusst davon, welche Vorstellungen einer in sich trägt. Ein Kernpunkt alltäglicher Fehlurteile ist die unbestreitbare Tatsache, dass der Mensch in der Regel nur zu gerne bereits anhand der Oberfläche urteilt, hierzu auch noch aus Ignoranz geborene unzutreffende Andichtungen heranzieht, damit völlig unfähig wird, diese angewandte Dummheit als offensichtlichen Irrtum auch nur ansatzweise zu erkennen und in Folge – darauf basierend – seine Reaktion in Form tätiger Ignoranz fortgesetzt ausrichtet.

Als Beispiel sei Frau Julia Knopf genannt, Professorin für Fachdidaktik in der Grundschule, welche in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung am 5. Februar 2020 darauf hinwies, dass vor mehr als einem Jahrhundert eine einheitliche Orthografie eingeführt worden sei, damit Texte leichter verschriftlicht und besser gelesen werden können, denn das Gehirn könne Texte, die Standards folgten, viel störungsfreier verarbeiten und es gebe Studien, die zeigen würden, dass allein fehlende Kommata das Lesetempo drastisch verringere. es daher  „wahnsinnig wichtig“ sei, bei Schülerinnen  und Schülern das Rechtschreibbewusstsein wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken, gestützt durch das Argument, es sei belegt, dass Arbeitgeber aus fehlerhaften Bewerbungen negative Rückschlüsse auf die Disziplin und Ausdauer des Bewerbers zögen.

Jenseits der beschränkten Urteilsfähigkeit solcher Personalchefs wäre in einem Selbsttest allerdings jederzeit die Erfahrung möglich, dass auch Texte, welche nicht der einheitlichen Orthografie folgen, vom Gehirn störungsfrei verarbeitet werden können, Sollte da einer sein, der Texte ablehnt, da diese auf eine Groß- und Kleinschreibung oder Satzzeichen verzichten, wie zum Beispiel bei Gedichten der Neuzeit gerne angewandt, möge ein solcher besser vorher sein Gehirn untersuchen lassen, bevor er über geschriebene Sätze urteilt.

(c) Copyright Katalin Hepp

Diese Fakten kennend, bittet Frau Katalin Hepp, der Leser möge nicht die Rechtschreibfehler beachten, sondern den Inhalt. Ist doch offensichtlich, dass die Professorin für Fachdidaktik in der Grundschule es versäumte, die bereits seit 1925 allseits zugängliche „Ansprache zum Schulbeginn“ von Erich Kästner zu studieren: „Früchtchen seid ihr, und Spalierobst müsst ihr werden! Aufgeweckt wart ihr bis heute, und einwecken wird man euch ab morgen! … Vom Baum des Lebens in die Konservenfabrik der Zivilisation?“.

Die junge Autorin war weise genug, sich nicht in die Konservenfabrik der Zivilisation einwecken zu lassen und lehnte es ab, zu Spalierobst zu degenerieren. Im Ergebnis legte sie Zeugnis ab, dass sich ihr Lebensbericht ohne jegliche Mühe zügig und flüssig für jedermann lesen lasse, das Gehirn völlig störungsfrei der Erzählung folgen könne und was die richtige Setzung von Satzzeichen betrifft, so bewies bereits der Autor Rúnar þór þórarinsson in seinem Buch „Enn einn dagurinn“ („An einem einzigen Tag“), dass sogar eine seitenlange Erzählung mit nur einem Komma und ohne jeglichem Punkt sehr anschaulich zu Papier gebracht und mühelos gelesen werden kann.

Katalin Hepp berichtet in ihrem Buch, dass sie in ihren Schuljahren mehr Kontakt zu ihren Lehrern und sehr wenig zu ihren Schulkameraden hatte:

c) Copyright Katalin Hepp

„Ich habe die diagnose kabukisyndrom das wurde im jahr 1999 festgestellt und dadurch gehört auch meine Taubheit dazu habe ich durch meine behinderung eine sehr besondere seele und spüre es genau wenn es jemand nicht gut gehts oder wenn jemand traurig ist aber manchmal ärgere ich mich auch darüber dass ich leider nicht so bin wie die anderen Menschen die wo gesund sind aber es hat keinen sinn sich darüber zu ärgern weil wir alle zusamen gehören ob gesunde menschen oder kranke sonst währe es ja viel zu langweilig und somit kann sich ein bunter lebenskreis schliessen.“

Womit die Frage berechtigt, ob es sich bei dieser willkürlichen Ausgrenzung von Mitmenschen, die „nicht so sind wie die anderen gesunden Menschen“ um eine angeborene Einstellung eines neugeborenen Kindes handle, oder nicht vielmehr um das Resultat sogenannter Erziehungsberechtigter, also deren pädagogischer Einflussnahme auf die Entwicklung und das Verhalten Heranwachsender.

Nun, die Berichte von Frau Katalin Hepp belegen eindeutig, dass es sich dabei nicht um eine angeborene Einstellung eines neugeborenen Kindes handeln könne, womit der Ratschlag von Erich Kästner verständlich wird: „Liebe Eltern, wenn Sie etwas nicht verstanden haben sollten, fragen Sie Ihre Kinder.“

„Mein erfundenes Leben“

Katalin Hepp

epubli Verlag, Berlin

48 Seiten

ISBN: 9783754933145

Preis: 15,99 €

Das Buch ist auch über den Buchhandel erhältlich

Mittsommer in Ísafjörður

Es ist der Vorabend von Jónsmessa, dem Johannistag, der in Island als Mittsommertag gefeiert wird. Es weht eine leichte Brise bei sagenhaften 18°C, das macht so schlapp wie ein Föhntag in Oberbayern, denn zu Wochenbeginn hatte es noch kühle 3°C.

© Copyright Bernhild Vögel  

Der Sommer tat sich schwer dieses Jahr, der Mai brachte viele Stürme und einige Schnee­einbrüche, allerdings auch fantastische Lichtstimmungen und Regenbögen.

© Copyright Bernhild Vögel  

Die Tier- und Pflanzenwelt aber lässt sich durch Kälte nicht beirren, das ist jedesmal faszinierend. In den ersten Juniwochen blüht nahezu alles gleichzeitig: Die Osterglocken, die Tulpen und der Mohn in den Gärten, Wiesenschaumkraut, Fettkraut und Sumpfdotterblumen an den Bachrändern, Polsternelken und Silberwurz an den Hängen und überall Löwenzahn und Hahnenfuß. Und die braunen Berghänge begrünen sich von Tag zu Tag mehr. Die blauweißen Lupinen sehen zwar schön aus, sind aber ebenso wie der weißdoldige Wiesenkerbel zu Problempflanzen geworden, da sie riesige Felder bilden, unter der die natürliche Flora der Bergwelt erstickt.

© Copyright Bernhild Vögel  

Nun ziehen schon die Eiderenten mit ihren Küken durch die Fjorde, die Küstenseeschwalben haben sich von ihrer langen Reise aus den Südpolargebieten erholt und brüten im küstennahen Grasland. Mit ihren messerscharfen Schnäbeln greifen die federleichten Akrobaten der Lüfte Menschen an und vertreiben Raben, die es auf ihre Gelege abgesehen haben. Aber nicht nur die schrillen Schreie der Kría erfüllen die Luft, Rotschenkel und Austernfischer zetern und versuchen Eindringlinge vom Nest wegzulocken, ebenso die als Frühlingsbotin verehrte Lóa (Goldregenpfeifer). Deren kleiner Verwandter, der Sandregenpfeifer verfeinert das Fang-mich-doch-Spiel mit einem angeblich gebrochenen Flügel. All diese Vögel sind Bodenbrüter und man muss aufpassen, dass man auf Gras- oder Kiesflächen nicht in ein Gelege tritt. Tiefer in den Tälern wird es ruhiger, ab und an ist das Flügelsurren einer Bekassine zu hören und ein Regenbrachvogel huscht gut getarnt über den spärlich bewachsenen Sandboden.

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Die Stadtgemeinde Ísafjarðarbær umfasst ein größeres Gebiet im Bereich der nördlichen Westfjorde. Neben der ca. 2.700 Einwohner zählenden Stadt Ísafjörður, dem Zentrum der Gemeinde im Skutulsfjörður, gibt es die drei Dörfer mit 200 bis knapp 300 Bewohnern. Flateyri im Önundarfjörður ist 20 km, Þingeyri im Dýrafjörður 50 km entfernt. Die Dörfer sind von Ísafjörður aus nur durch den zum Teil einspurigen Tunnel Vestfjarðagöng, der eine Abzweigung zum Fischerdorf Suðureyri  im Sugandafjörður hat, zu erreichen. Zum Gemeindegebiet gehört auch das Naturschutzgebiet Hornstrandir, das spärlich besiedelte Snæfjallaströnd sowie ein Uferstreifen am Arnarfjörður mit dem ehemaligen Pfarrhof Hrafnseyri, dem Geburtsort von  Jón Sigurðsson (1811-1879), dem Vorkämpfer Islands für die Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Dänemark.

© Copyright Bernhild Vögel  

Der Nationalfeiertag am 17. Juni, der an die vollständige Abnabelung von Dänemark im Jahre 1944 erinnert, wird daher auch in Hrafnseyri mit Kirchgang und Festrede, Kaffee und Kuchenplatten in Nationalflaggendesign begangen. Anschließend findet die Abschlussfeier für die Absolventen des Masterstudienganges Küsten- und Meeresmanagement des Universitätszentrums der Westfjorde statt.

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Auf der Rückfahrt im alten Scania-Bus, der nicht den 2020 eröffneten Tunnel Dýrafjarðargöng nimmt, sondern die alte abenteuerliche Passstraße hochtuckert, unterhalte ich mich mit einer Frau, die aus der kanadischen Provinz Nova Scotia zur Graduation Ceremony ihrer Tochter angereist ist. Die Uni in Ísafjörður zieht Studierende aus vielen Ländern an; der internationale Flair belebt die Gemeinde auch im Winter, wenn sich kein Tourist mehr in die wilden Westfjorde verirrt.

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Im Sommer allerdings nimmt es mit dem Tourismus inzwischen überhand: Riesige Kreuzfahrtschiffe verpesten Wasser und Luft und kippen an manchen Tagen bis zu 10.000 Menschen an Land. Eine nicht zu stoppende Lawine: Die Billigangebote der Reedereien (Käfighaltung all inclusive) und das schnelle Geld für Hafen, Stadt und  Touristenunternehmen. Allerdings ist der Hafenausbau in Ísafjörður nicht so weit gediehen wie geplant. Die großen Kreuzfahrtschiffe müssen im Fjord ankern und die Passagiere auf Tenderbooten an Land bringen. Einige haben daher ihre Ankunft abgesagt.

© Copyright Bernhild Vögel  
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Das kulturelle Leben in der Gemeinde ist wie immer quicklebendig und findet meist abends statt, wenn die Kreuzfahrtschiffe wieder verschwunden sind. In der letzten Woche gab es aus Anlass des 75jährigen Bestehens der Musikschule die Konzert­reihe Við Djúpið u.a. mit der international renommierten Cellistin Sæunn Thorsteinsdóttir, die unter anderem Bach-Chello-Suiten spielte. Regelmäßig finden Kunstausstellungen in der Stadt und den Dörfern statt. Im Kómedíuleikhúsið im entlegenen Haukadalur spielt Elfar Logi seine meist selbstverfassten Einpersonenstücke, wenn er nicht gerade auf Tournee im In- oder Ausland ist. Nach der 365sten Aufführung seines Gísli-Saga-Stückes kommt nun das neue Stück Fransí Biskví ins Programm, das sich mit den bretonischen Fischern beschäftigt, die im 19. Jahrhundert im Dýrafjördur fischten und mit den Bewohnern des Haukadales Handel trieben.

© Copyright Bernhild Vögel  

Wenn einer eine Reise tut …

Unweit des Wohnsitzes eines alten Freundes, einem Literaturkritiker und Dichter, wurde in Deutschland eine Flüchtlingsunterkunft für bis zu 144 Menschen erbaut. Vor drei Monaten waren 24 und 26 Jahre alte Männer aus dem Jemen in Deutschland angekommen und zeigten gerne ihr neues Heim am Tag der offenen Tür. Dies veranlasste die Lokalzeitung zu einem Artikel:   

Im 24 Quadratmeter großen Zimmer stehen zwei Betten, Schränke, Stühle. Dazu ein eigenes kleines Bad. Die Küchenzeile im Gemeinschaftsraum teilen sich die Brüder mit den drei Bewohnern, die die andere Seite des Wohnmoduls zugewiesen bekommen haben.

Es ist kühl im Inneren, eine Wärmepumpe, die mit Strom von der auf dem Dach installierten PV-Anlage gespeist wird, sorgt für angenehme Temperaturen. Wie es ihnen gefalle? „Perfekt“, antwortet Mohanad Al Matari auf Englisch und grinst. „Sehr komfortabel …

Noch sind erst 30 Menschen in der Anlage untergebracht. Sie stammen aus dem Jemen, der Türkei, Afghanistan und der Ukraine.“

Dies gab uns die Gelegenheit, unsere Untersuchungen über die in Deutschland mittlerweile grassierende Fremdenfeindlichkeit endlich abzuschließen. Verhält es sich doch so, dass eine national-sozialistische Partei dort mittlerweile zur zweitstärksten Kraft anschwoll und es dort üblich ist, dass Leute hinter einem sogenannten Nickname verborgen nur zu gerne ihr wahres Gesicht zeigen, ansonsten sorgsam hinter der Maske des Heuchlers versteckt.

Diese Lust an der Schönfärberei hatte bereits  Kurt Tucholsky unter seinem Pseudonym Theobald Tiger am 7. Dezember 1926 in “Die Weltbühne“ [Nr. 49, S. 888] beschrieben: „Wenn einer eine Reise tut …

Zu unserer Überraschung wurden nicht die fremdenfeindlichen Kommentare, Unterstellungen und falschen Behauptungen in den Kommentaren gelöscht, sondern unsere Richtigstellungen.

Allerdings zu spät, denn wir hatten die Kommunikation bereits davor vorsorglich gesichert. Den Nachweis finden Sie am Ende des Beitrags, Wir haben uns nach dieser Erfahrung selbstverständlich sofort als Kommentator löschen lassen.

In Summe lässt sich die Art von „Humanität“ der Kommentatoren wie folgt signifikant beschreiben.

Der Herausgeber

Künstler unbekannt

Fragment

Und kraulten sie durch schwankende Körper
die kopfunter auf den Wellen schwappen

an den
Badestränden sonniger Urlaubstage,

es fiele ihnen ein, am Abend ja nicht zu vergessen,
bei der Reiseleitung vorzusprechen.

Wegen schriftlicher Bestätigung.
Da erforderlich, um – in der Heimat angekommen –

Anspruch auf Reisepreisminderung anzumelden.

Wäre ja doch etwas übertrieben gewesen,
was da mit “All inclusive” angeboten.

© Copyright Nina Ivanova https://linktr.ee/nina_if

Selfie

Ferne quoll aus TV-Geräten
ohne den Teppich zu beschmutzen

Umgeben von Zentralheizung
Elektronik und Mikrowelle –

Weltsicht auf Armeslänge

: und<click>.

Protokoll und Nachweis (Kommunikation mit Nicknames)

nich_v_bedeutung

Keinen einzigen Flüchtling sollten wir in Deutschland mehr aufnehmen! Schaut mal in die Städte, die Kriminalitätsrate steigt exorbitant nach oben. In Rottenbuch hat letztens ein Asylant aus Eritrea vor der Bäckerei randaliert und sich aufgeführt wie ein wildes Tier.
Ich könnte kotzen, wenn ich sehe was wir uns in Massen hier rein holen.

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Bernhard Pangerl an nich_v_bedeutung  (Von der Moderation gelöscht)

Da Ihre Einlassung zwar nicht von Bedeutung ist, wie Ihr Nickname aussagt, habe ich Ihre sehr aufschlussreiche Mitteilung als Grundlage für Ihren nächsten Kommentar herangezogen: 

Keinen einzigen Autochthonen  sollten wir in Deutschland mehr behalten! Schaut mal in die Städte, die Kriminalitätsrate steigt exorbitant nach oben. In Weilheim musste die Polizei mit 8 Streifen ausrücken, weil 3 Weilheimer – alle sind übrigens Deutsche – randalierend durch Weilheim zogen, Zeugen schlugen und dann auch noch brutal auf die Polizei losgingen. Ich könnte kotzen, wenn ich sehe was wir uns in Massen hier behalten.“

Gut so? Ich habe Ihre Logik dabei strikt beibehalten. Sie dürfen selbstverständlich diesen Kommentar via Copy-Paste in den Artikel „Drei Jugendliche ziehen randalierend durch Weilheim: Deshalb rückt Polizei mit acht Streifen an“ kopieren, da ich kein Copyright darauf geltend mache.

Inturiam Sententia an Bernhard Pangerl

Vielleicht sollten Sie nochmal die Bedeutung von autochton nachlesen. Wir haben in Deutschland schon genügend Kriminalität, da muss man diese nicht millionenfach importieren und auf Koszen des Steuerzahlers alimentieren.

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Bernhard Pangerl an Inturiam Sententia (Von der Moderation gelöscht)

Danke für den Nachhilfeunterricht, wäre allerdings nicht notwendig gewesen. Hätte ich das Synonym „Eingeborene“ gewählt, wären ja solche hinzugenommen, welche zwar in DE geboren wurden, deren Eltern allerdings keinen Nachweis als “Alteingesessene” vorzeigen könnten. „Alteingesessene“ wäre daher das zutreffende Synonym.

Auf Ihre unwahre Behauptung „Wir haben in Deutschland schon genügend Kriminalität, da muss man diese nicht millionenfach importieren und auf Koszen des Steuerzahlers alimentieren“ eingehend: Richtig ist, dass millionenfach Nicht-Autochthone als billige Arbeitskräfte für Arbeiten, welche Autochthone arbeitsscheu gerne meiden, mit Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen zum Unterhalt der Autochthonen beitragen.

Ich bitte daher darum, in Zukunft vorher die vorhandenen Statistiken zu studieren, bevor Sie wieder „eine Entscheidung treffen“, wie Ihr Nickname aussagt.

Bernhard Pangerl an Inturiam Sententia (Von der Moderation gelöscht)

Zu „auf Kosten der Steuerzahler alimentieren“: Danke für Ihre Aufklärung. Abschließend: Schätzen Sie einmal, wie hoch der Anteil an Nicht-Alteingesessenen in DE ist, welcher in Schichtarbeit tagein, tagaus für geringen Lohn schuftet, damit die Bevölkerung in DE im Sessel online bestellen kann und damit den einheimischen Einzelhandel plattmacht, also Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge verhindert? Bei uns in Island haben solche „Logistikunternehmen“ und „Kurierdienste“ keinen Nährboden, da die Bevölkerung sich noch selbst bewegen möchte.

In diesem Sinne, Danke für Ihre Aufmerksamkeit, ich habe Ihre Botschaft weitergeleitet: Aus der Welt der Nicknameplates

Damit wäre alles Erforderliche von meiner Seite dargelegt. Ich wünsche einen entspannenden Sonntag.

Iniuriam Sententia an Bernhard Pangerl

Und wie hoch ist wohl der Anteil der Nicht-Alteingessesenen in DE die weder einer Schichtarbeit noch einer sonstigen Arbeit nachgehen und vom arbeitenden Steuerzahler alimentiert werden?

P.S. hätten Sie mal besser in Latein aufgepasst. Mein Nickname bedeutet „unbequeme Meinung“. Auf was Sie anspielen wäre „inuriam arbitrium“

Bernhard Pangerl an Inturiam Sententia (Von der Moderation gelöscht)

Danke, dass Sie meine Korrektur und Richtigstellung Ihrer unwahren Behauptung bestätigen. Sorry, für Whataboutism bin ich sowohl der falsche Ansprechpartner als auch uninteressiert. Ich bitte dies zu bedenken, sollten Sie diesbezüglich wieder eine Entscheidung treffen.

PS: Da Ihre „Meinung“ keineswegs „unbequem“ ist, sondern geradezu sehr aufschlussreich, habe ich mir die Freiheit herausgenommen, bei Ihnen zu Ihren Gunsten eine vorangegangene Entscheidung zu vermuten. Sorry, hatte mich geirrt.

Iniuriam Sententia an Bernhard Pangerl

Auf Island lässt sich, weit weg vom täglichen Irrsinn in DE, gut labbern….

Bernhard Pangerl an Inturiam Sententia (Von der Moderation gelöscht)

Irrtum. Island hat weltweit eine der geringsten Kriminalitätsraten und dies bei einem 16,3 % Anteil von Immigranten in der Bevölkerung. Der Unterschied liegt nur darin, dass die Bevölkerung dort in ihrer Gesamtheit infame und widerrechtliche Ansichten verabscheut und für den täglichen Irrsinn sorgen dort bereits die neuerdings auftretenden massiven Wetterkapriolen.
Damit beende ich diese sehr aufschlussreiche Konversation. Herzlichen Dank, es war sehr erhellend..

Iniuriam Sententia an Bernhard Pangerl

Wo kommen denn die 16,3% Migranten ( München allein hat die 4,5fache Bevölkerunszahl mit einem Migrationsanteil in 2021 von 47,8%) auf Island her? Sind das Leute die zum Arbeiten dorthin gingen oder vielleicht welche die genügend Geld hatten und sich entschieden haben dem täglichen Irrsinn im westlichen Kontinentaleuropa zu entfliehen? Ich habe mich dazu mal schlau gemacht, die grössten Bevölkerungsgruppen sind Polen (18,2%), Dänen (8,6%), Phillipinos (6%) und Deutsche wie Sie (5,4%) Es sind also nicht Leute wie hier, die durch zig sichere Drittländer in das deutsche Sozialsystem einreisen weil es hier mehr zu holen gibt als etwa ein sicheres Dach über dem Kopf plus Essen und Trinken wie in Griechenland oder Italien.

Bernhard Pangerl an Inturiam Sententia (Von der Moderation gelöscht)

Bitte unterlassen Sie weitere Versuche, die Öffentlichkeit fortgesetzt zu täuschen. Hier die Information, welche Sie aus gutem Grund unterschlagen haben:

– Im Jahr 2022 wurden in Island ca. 600 Asylanträge gestellt. Dies entspricht gemessen an der Bevölkerungszahl in Island: 0,2 %

– Im Jahr 2022 wurden in Deutschland ca. 244.132 Asylanträge gestellt. Dies entspricht gemessen an der Bevölkerungszahl in Deutschland: 0,28 %

Bei mir stoßen Sie nur auf Richtigstellung Ihrer falschen Behauptungen und Unterstellungen. Ich habe nun unsere gesamte Konversation hier an den Verlag weitergeleitet, da diese es wert ist, weltweit veröffentlicht zu werden. Besten Dank dafür!

kogamiyator an Bernhard Pangerl (nunmehr an guest!)

Dort können sie sich auch bewegen. Es landen nicht Monat für Monat 10 tausende Einwanderer per vom Außenministerium bezahlten Schlepperorganisation an der Küste. Auf den Straßen klebt auch niemand wenn die Lieferungen per Schiff und Flugzeug verteilt werden. Man ist in der EU aber guckt von weitem zu wie Deutschland u.a. sich damit rumschlagen müssen.

Der Kommentar von kogamiyator gefällt 4 Nicknames
Bernhard Pangerl an kogamiyator (Von der Moderation gelöscht)

Es ist zwar hinlänglich bekannt, dass je geringer der Wissensstand, umso größer die Vermutung, allerdings berechtigt dies nicht dazu, Falschaussagen zu machen und als Tatsachen hinzustellen. Das exakte Gegenteil ist nämlich der Fall. Es werden seit Jahren bis heute immer noch aktiv Menschen gerettet, die sich auf der Flucht befinden, in das Land gebracht, wo diese von der Bevölkerung aktiv unterstützt werden, damit diese rasch Fuß fassen können. Dies geschieht in einem Konsens, da es auf Island keine Nazis-Partei gibt, diese hätte auch keine Wähler zu erwarten. Die Menschen werden auch nicht in Sammelunterkünfte eingepfercht und die Unterstützung geht sogar soweit, dass Kinder umgehend ein isländisches Patenkind erhalten, damit es sich in Freizeit und Schule schneller und besser zurechtfindet und rasch Anschluss zu anderen Kindern bekommt. Hier nur ein Artikel (November 2016) aus den zahllosen veröffentlichten Informationen. Allerdings wäre hierzu erforderlich, dass Sie wenigstens im Englisch-Unterricht etwas aufgepasst hatten.

Die Welt der Nicknameplates

Der Troll Ferðamaður besuchte nach einer ausgiebigen Reise in ferne Länder seinen Freund auf dessen Stein oberhalb von Hnifsdalur.

Jarðnafn : Velkomin um borð, Ferðamaður!Ich bin gespannt, welche Neuigkeiten du diesmal mitbringst.“

Ferðamaður: „Die Leute reden wieder miteinander.“

Jarðnafn: „Erstens ist dies keine Neuigkeit, da diese ständig plappern, dem Vernehmen nach können diese noch nicht einmal in einem Lesesaal die Klappe halten, oder im Zug, obschon ihnen gegenüber oder daneben niemand sitzt, und Zweitens stelle ich bei meinen Besuchen dort unten in der Stadt fest, dass die Leute nunmehr in aller Öffentlichkeit laute und nicht enden wollende Selbstgespräche führen.“

Ferðamaður: „Da hast du wohl den kleinen Knopf im Ohr übersehen, mein Guddster.“

Jarðnafn: „Upps, seit wann produziert die Firma Steiff auch Menschen, noch dazu ohne Fell und mit  automatisiertem Bewegungsapparat?“

Ferðamaður: „Dumpfbacke, das sind Menschen, die mit einem Gesprächspartner via einer App reden.“

Jarðnafn: „App? Eine Abkürzung für Applaus?“

Ferðamaður: „Nein, eine Anwendung auf einem Smartphone, welche für Unterhaltungen zugelassener Teilnehmer angeboten wird. Es wird damit nicht nur um  Bestätigungen geheischt, sondern ist auch ein Eldorado für geistigen Sondermüll, da jeder sich hinter Nicknameplates verstecken kann.“

Jarðnafn: „Du meinst Pseudonym.“

Ferðamaður: „Um Himmelswillen, nein! Dies setzte Eigenleistungen künstlerischer Werke voraus. Davon kann nicht die Rede sein, lese einer deren Sermon. “

Jarðnafn: „Also ein Traduktionym?“

Ferðamaður: „Auch nicht. Oder ist dir ein Land bekannt, in welchem es den Namen Ruhig Blut, Dr. McSchreck, MySharon, Worst Case, etc. geben könnte?

Jarðnafn: „Solche Länder gibt es noch nicht. Was ist eigentlich ein Traduktionym?“

Ferðamaður: „Ein Beispiel. Irgendeine Dumpfbacke soll unsere Unterhaltungen heimlich aufgezeichnet und diese veröffentlicht haben.“

Jarðnafn: „Ist mir bekannt. Allerdings murkste er herum, indem er unsere Gespräche in Fremdsprachen übersetzten ließ, unsere Namen aber nicht.“

Ferðamaður: „Nun, bekanntlich gibt es Nationen, welche die Relevanz einer Person aus dessen Rolle herleiten, im Gegensatz zu Nationen, welche die Relevanz einer Person aus dessen Persönlichkeit ableiten.“

Jarðnafn: „Ist mir geläufig. Du meinst, damit wurde er wenigstens unserer Auffassung gerecht, dass Rollen nur  zusätzliches, nichtssagendes und daher unnötiges Beiwerk? Hätte er auch unsere Namen übersetzt, wäre offenkundig geworden, dass unsere Namen nur Rollennamen sind …“

Ferðamaður: „… was sicherlich einen Aufschrei bei den betreffenden Rollen hervorgerufen hätte …“

Jarðnafn: „Wenn nicht sogar einen Shitstorm, womit seit dem Zeitalter der digitalen Gesprächsforen unweigerlich zu rechnen wäre. Hier hingegen wird Rollen keine Beachtung beigemessen, so dass kein Aufschrei zu erwarten war.“

Ferðamaður: „Falls er nicht gleich konvertiert und zu den Schwachsinnigen gezählt werde, wie der Autor Guðbergur Bergsson bezüglich einer anderen Fähigkeit trefflich bemerkte.“

Jarðnafn: „Also ein Geonym.“

Ferðamaður: „Kennst du Orte, welche nurmalso, isnedwohr, ichsemichse, etc. heißen?“

Jarðnafn: „Ich bin schon weit gereist und ich kann sagen, dass es diese Ortsnamen auf diesem Planeten nicht gibt. Also gut. Es handelt sich also dabei um die Verwendung von Nicknameplates. Gibt es eine Definition zu diesem Wort?“

Ferðamaður: „Nun, nach jahrelanger Durchsicht zahlloser Kommentierungen in verschiedenen Zeitschriften – ein neuer Service der Zeitschriften bei Internet-Auftritten -, wäre festzustellen, dass es sich bei den Nicknameplates zum Einen nicht um sogenannte Spitznamen oder ironische Namen handle. Bei der Lektüre der zahllosen Einlassungen wird allerdings verständlich, aus welchem Grund diese nicht unter einem Klarnamen in die Öffentlichkeit gepustet werden.“

Jarðnafn: „Du meinst wohl gepostet“

Ferðamaður: „Keineswegs, denn dies setzte eine Nachricht voraus, welche einem zugestellt wäre. Meine Erfahrung war dahingehend, dass Repliken in den seltensten Fällen eine Nachricht enthielten, oder dass auf ein Argument wenigstens auch nur annähernd eingegangen worden wäre. In der Regel handelte es sich dabei um sogenannte Wichtigtuer, die eines Tages bei sich feststellten, dass sie für die Allgemeinheit nichts Brauchbares beizutragen haben und nun die Kommentarmöglichkeiten der Gazetten dazu nutzen, ihren dabei entstandenen Frust abzubauen, indem sie irgendeinen zusammenhanglosen Sermon absondern.“

Jarðnafn: „Ich wüsste da einen Dichter, der dieses Phänomen kürzer zusammengefasst hatte.“

Ferðamaður: „Lass hören.“

Jarðnafn stellte sich in Positur und rezitierte:

Im Biergarten

Wörterkolonnen betäuben,
vom Klirren der Gläser
gehetzt durch die Lampions,
die Nabelohren der Nacht.

(Autor: Werner Friebel)

Unser Vergessen baut die Gitter

Am 26. April jährte sich die Möglichkeit des sogenannten Unmöglichen, das Reaktorunglück von Tschernobyl, auf Wikipedia ignorant als „Naturkatastrophe“ bezeichnet, demnach um eine natürlich entstandene Veränderung, bei welcher nicht Menschen die Verursacher der Katastrophe in der Natur waren. Während weiterhin Menschen nach dem Prinzip „aus den Augen, aus dem Sinn“ genussvoll ihre Becquerels verzehrten, und andere mit dem Kopf gegen die Wand rennen, um den schleichenden Mord aufzuhalten, reihte sich Unfall an Unfall, schritten die verantwortlichen Optimisten mit beschwichtigenden Gesten über die Gräber der Opfer. Auch statistische Tote sind Tote. Dass die Sowjetunion aus Staatsräson über Leichen ging, ist nicht neu, dass die Bundesregierung ebenso Leichen in Kauf nimmt, ist schockierend, und nicht minder Barbarei. Die Sorge und der Widerstand schützt den verantwortungsbewussten Bürger nicht vor der Notwendigkeit, Nahrung zu sich zu nehmen; auch er muss essen, was auf den Tisch kommt, und künstlich erzeugte radioaktive Strahlung macht um niemand einen Bogen. Ihm bleibt die Mühe, möglichen Etikettenschwindel zu erkennen, oder ihm ausgeliefert zu sein.

(c) Woche

Es jährt sich, dass Kindern auf die Finger geschlagen wurde, weil sie den Rasen berührten. Es jährt sich, dass Sandkästen weggebaggert werden mussten, und Kinder vor verschlossenen Bädern standen. Es wurde notwendig, unsere Kinder vor den Auswirkungen unseres Willens zu schützen, sie einzusperren, ihnen Dinge zu verbieten, die uns als Kinder selbstverständlich waren. Die Korsette werden enger, wir bauen uns unser eigenes Gefängnis, unser Vergessen baut die Gitter. Wer denkt schon leicht über Dinge nach, die man nicht schmeckt, die man nicht riecht, und die man nicht sieht. Keiner der Sinne unterstützt den Kampf gegen unsichtbaren Mord.

(c) Nübler

Man sagte uns, wir seien sicher – und zur gleichen Zeit wurden in der Bundesrepublik Deutschland Mitbürger kontaminiert – sprich: vergiftet. Man erlaubte sich sogar die Unverfrorenheit, zu posaunen, der Vergiftete sei „quietschvergnügt und quicklebendig“, weil ihm wahrscheinlich noch nicht die Haare ausgefallen und verschwieg, dass man erst der noch lebendigen Leiche ansieht, dass sie nie wieder quicklebendig und quietschvergnügt sein wird. Das Gift hat Zeit und nutzt sie.

Die Sorge würde als Panikattacke verlacht, Verantwortung als Querulanz verteufelt. Man wird später sicher Entschuldigungen für das Verbrechen des Nichtstuns, des Schweigens und der Beschwichtigung finden.

Es ist völlig gleichgültig, ob aufgrund  eines radioaktiven Fallouts zwei oder zweitausend statistische Tote zu verzeichnen sind, denn bereits ein Toter ist einer zu viel. Beklagen wird die Toten niemand, denn sie wurden bewusst von uns als statistisches Schlachtvieh zum Altar der Menschenopfer zitiert. Sie sind berechnet, und Opfer der Berechnung. Sie sind wirtschaftlich vertretbar laut Strahlenschutzverordnung, also wirtschaftlich vertretbare statistische Morde. Die Klage eines Bürgers über die Ausbringung von mit 14000 Becquerels belastetem Klärschlamm Monate nach Tschernobyl auf die Felder bayerischer Bauern wurde vom Umweltministerium mit der lapidaren Begründung abgeschmettert, die Strahlenschutzverordnung gelte nur für den „willentlichen Umgang“ mit radioaktiver Strahlung, und sei somit nicht zuständig.

(c) MZ Archiv

Von Oscar Wilde ist dieser Satz überliefert:  „Erfahrung ist die härteste Art von Lehrer. Sie gibt dir zuerst den Test und die Lehre danach.“ Ihm war wohl vorhandene Unbelehrbarkeit der Masse noch unbekannt an diesem Zeitpunkt.

Es bleibt nur ein Nachruf. Menschen werden vermutlich immer erst verstehen, wenn sie vor den Mahnmälern ihrer Vergangenheit stehen. Für untätiges Hoffen gibt es keine Entschuldigung, weder heute noch morgen. Es bleibt weiterhin jeder Tag ein möglicher Jahrestag irgendeines „Tschernobyl“.

Rede laut und deutlich