Schlagwort-Archive: wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft

http://www.algorithmics.is/wordpress/de/2016/10/30/zeitgenoessischer-text/

Zugefallen

Der Troll Trúleysingi kehrte nach einer langen Reise aus der wissenschaftsbasierten Informationsgesellschaft zurück und besuchte seinen Freund Sameind auf dessen Stein unweit von Laugafell.

Sameind: „Velkominn, Trúleysingi. Hvernig líður þér í dag?“

Trúleysingi: „Die wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft hat sich weiterentwickelt zum Transhumanismus.“

Sameind: „Genügte ihnen nicht, was sie bereits an grobem Unfug bei Äpfel und Rosen angerichtet haben?“

Trúleysingi: „Wie meinen?“

Sameind: „Nun, den Äpfeln wurden die Polyphenole entfernt, da diese mit Polyphenolen zu schnell braun wurden. Um dies zu verhindern, wurden die Polyphenole entfernt, was dazu führte, dass der Genuss von Äpfeln zwar nicht mehr wie vordem vor Allergien schütze, dafür aber nun allergische Reaktionen hervorrufen könne. Bei den Rosen wurden die Duftstoffe entfernt, da diese die Rose dazu anrege, ihre Knospe zu öffnen, womit die Rose sich bereits bei einem langen Transport öffnen würde und nicht erst danach.“

Trúleysingi: „Weit gefehlt, es wird etwas ganz anderes darunter verstanden. Es geht ihnen – so ist zu lesen – um eine philosophische Denkrichtung, welche die Grenzen menschlicher Möglichkeiten, sei es intellektuell, physisch oder psychisch, durch den Einsatz technologischer Verfahren erweitern möchte.

Sameind: „Haben sie die Grenzen menschlicher Möglichkeiten bei den Äpfeln und Rosen nicht schon genug erweitert?“

Trúleysingi: „Der Zufall und die Intelligenz will es nunmal so, denn alles beruht auf Zufall und Intelligenz.

Sameind: „Soso. Somit stelle sich mir zuvorderst die Frage, ob  den Begriffen Zufall und Intelligenz eine Bedeutung beigemessen werden könne und welcher Art diese sein könne.“

Trúleysingi: „Die typische Antwort eines Analphabeten.“

Sameind:  „Gemach, gemach. Die Vielzahl an Gattungen ist doch offensichtlich für jeden, welcher sehen und/oder berühren kann. Du stimmst mir zu?“

Trúleysingi: „Der Sinn ist daran zu erkennen, dass Lebendes sich ernähren müsse, und die Gattungen es ermöglichen, dass sich Lebendes von Lebendem ernähre. Auch der Ursprung des Lebenden auf diesem Planeten ist  bekannt: die schwarzen Raucher.“

Sameind:  „Es wäre Unsinn, etwas anderes zu behaupten. Allerdings wäre mit diesem Unterfangen schnell ein Ende gewesen, wären die Protonen, Neutronen und Elektronen nicht nach einem Meeting – das der Zufall einberief und an welchem dann in Folge alle Atome des Universums zusammen kamen, um darin zu beschließen, sich in Zukunft zu sogenannten Molekülen zusammenzuschließen, welche in Folge in der Lage wären, diverse Gattungen ausformen zu können -, wären also alle Protonen, Neutronen und Elektronenauch in diesem Meeting nicht auch noch auf die seltsame Idee gekommen, dass solche Art und Weise entstandenen Gattungen – gemeint ist jedes Exemplar der diversen Gattungen -,  möglicherweise nach seiner Entstehung – so es nicht als Speise für eine andere Gattung verwendet wurde – wieder in seine Bestandteile zerfallen könnte, womit Schluss mit lustig wäre für dieses nicht verspeiste Exemplar, was ja auch für die verspeisten Exemplare sichtbar gelte.“

(c) Zen&Senf

Trúleysingi: „Was soll dieser Unfug?“

Sameind: „Nun, bekanntlich gab es an jenem Zeitpunkt, an welchem die gesamte Materie des Universums sich an einem einzigen Punkt zusammenfanden…“

Trúleysingi: „… als am Urknall …“

Sameind: „… eine Übereinkunft aller Atome …“

Trúleysingi: … gesetzt den Fall, die Materie bestand damals bereits in der Form von Protonen, Neutronen und Elektronen …“

Sameind: „… eine Übereinkunft dahingehend, ….“

Trúleysingi: „… was Einstimmigkeit voraussetze, denn im anderen Falle wäre es keine Übereinkunft …“

Sameind: „… dass angesichts dieser Aussicht auf eine Zukunft -welche ja durchaus möglich wäre, sollten sich die Protonen, Neutronen und Elektronen zu Molekülen zusammenschließen, welche in Folge in der Lage wären, diverse Gattungen ausformen zu können –, dies ja nur von kurzer Dauer wäre, abhängig davon, wie lange die zukünftig zu erzeugenden Exemplare der Gattungen wieder in ihre Bestandteile zerfielen.“

Trúleysingi: „Worauf willst du hinaus, Tröll Dummkopf?“

Sameind: „Nun, es  dürfte bei dem  Meeting, an welchem alle Atome  des Universums zusammen kamen, folglich den Protonen, Neutronen und Elektronen vermutlich klar geworden sein, dass spätestens in dem Augenblick, in welchem alle nicht verspeisten Exemplare diesen Punkt erreicht hätten, dieser Zirkus damit auch für alle Zeiten vorbei wäre. Oder etwa nicht?“

Trúleysingi: „Ich verstehe immer noch Bahnhof.“

Sameind: „Sicherlich, es bleibt weiterhin unbekannt, welches Proton, Neutron oder Elektron zuerst die Idee hatte, dass der Beschluss,  die einzelnen Exemplare an Protonen, Neutronen und Elektronen sollten sich zu Molekülen zusammenschließen, welche in der Lage wären, Exemplare zu diversen Gattungen herzustellen,  die anderen Gattungen als Nahrung dienen, nur dazu führen würde, dass der Spuk nach absehbarer Zeit zu Ende wäre. Denn in Zeit gemessen, bestünde ja die Möglichkeit, dass der Zusammenschluss diverser Moleküle zu einem Exemplar einer Gattung nicht ewig dauern könnte, womit alles zu Ende, ob nun als Nahrung herangezogen oder nicht. Möglicherweise hatten sogar alle Protonen, Neutronen und Elektronen gemeinsam als Kollektiv diese Vermutung.“ 

Trúleysingi: „Du meinst, die Menge aller Protonen, Neutronen oder Elektronen des Universums müssten bei dem Zusammentreffen im Urknall …“

Sameind: „… auch noch eine Regelung dahingehend einstimmig vereinbart haben, dass es nicht genügen würde, täten sich die Moleküle zu Beginn ihrer Evolution zu Exemplaren der einzelnen Gattungen zusammen, da bei einem solchen Beschluss ein immerhin mögliches Ende der einzelnen Exemplare nicht einbezogen wurde, es daher erforderlich wäre, den einzelnen  Molekülen, welche gedenken, sich zu einem Exemplar einer Gattung zusammenzufinden, dass diese schon von vornherein soweit Intelligenz haben müssten, dass auch noch zwei Arten der Gattung auszubilden wären, sowie einen Vorgang dergestalt, der zu dem Ergebnis führe, dass aus beiden ein neues Exemplar entstünde, bevor die beiden den Löffel abgeben.“      

Trúleysingi: „Eine Eigenschaft, über welche alles Lebende verfügt, also alle Pflanzen, Tiere und Menschen. Ziemlich viel Holz für Protonen, Neutronen und Elektronen, meinst du nicht?“

Sameind: „Wieso ich? Ich setze nur um, was du für Zufall und Intelligenz ausgibst. Ich hatte auf meiner Reise Kinder einen interessanten Reim  singen gehört. Magst du mit mir gemeinsam den Reim singen?“

Trúleysingi fasste Sameind bei der Hand und beide tanzten einen Reigen um den Stein:

Wieso, weshalb, warum
wer nicht fragt, bleibt dumm.
.“

Wenn ein Esel die Postkutsche ersetzt

Sendandi erreichte im Tungurdalur seinen Freund þiggjandi am Ende des Pfades, welcher entlang des Bunárfoss den Berg hinaufführt.

þiggjandi: „Willkommen zuhause. Wie war dein Skiurlaub? Alle Knochen noch heil?“

Sendandi: „Stelle dir vor, du schickst ein Weihnachtsgeschenk mit der Post dort unten, bezahlst für diese Leistung mit deinen mühsam erworbenen isländischen Kronen, erwartest du dann, dass für das Entgelt dein Weihnachtsgeschenk auch ankommt, dass die Leistung erbracht wird und dein Päckchen an den Empfänger ausgeliefert wird und dieser das Weihnachtsgeschenk erhält?”

þiggjandi: „Das ist eine Selbstverständlichkeit. Wird für eine Leistung bezahlt, so ist diese auch zu erbringen. Ich muss mir deswegen keinen Kopf machen, denn Posturinn dort unten ist ein seriöses und verantwortungsbewusstes Unternehmen. Warum erzählst du mir das? Hast du keinen Friseur? Das ist doch allen längstens bekannt.”

Sendandi: „Offensichtlich hat sich diese Selbstverständlichkeit aber noch nicht überall herumgesprochen. Verhält es sich nicht so, dass mittlerweile jeder Postversand elektronisch erfasst wird, teilweise sogar vollautomatisch bearbeitet, demnach die Post zu jeder Zeit nachweisen kann, wann und wo ein Päckchen bearbeitet wurde?”

þiggjandi: „So ist es. Seit dem Zeitalter, in welchem Päckchen mit Postkutschen transportiert wurden, hat sich vieles geändert. Dein Päckchen ist demnach nicht angekommen? Nun ja, was ist zu erwarten von Wesen, welche einen Fortschritt darin sehen, dass sie keinen Schlüssel mehr umzudrehen brauchen, um die Tür ihres Autos zu öffnen oder zu schließen. Sie nehmen ja auch klaglos hin, dass ihre Arbeitgeber trotz Einsatz einer vollautomatischen Lohnabrechnung und vollautomatischem Zahlungsverkehr geschlagene zwei Wochen benötigen, um den Lohn oder das Gehalt dem Mitarbeiter auf sein Bankkonto zu überweisen. Dort unten gibt es ein Gesetz, welches die Arbeitgeber verpflichtet, dass Lohn und Gehalt am ersten Werktag des Folgemonats dem Mitarbeiter auf seinem Bankkonto gutgeschrieben sein muss.“

Sendandi: „Jæja, ich kann mich noch lebhaft daran erinnern, als ich als 12-jähriger in den Schulferien bei einem Bauunternehmer in einem Ferienjob arbeitete. Jeden Samstag hatte ich mit einem Taschenrechner die Lohnabrechnung für die Bauarbeiter durchzuführen, Bruttolohn, Sozialversicherungsbeiträge, Lohnsteuer, Nettolohn. Der Unternehmer eilte währenddessen zur Bank, um das Geld für den Wochenlohn zu holen, welchen die Sekretärin dann mitsamt dem Lohnstreifen in die Lohntüte packte, denn Punkt 12 Uhr Mittag standen die Bauarbeiter vor dem Fenster Schlange, um ihr Bares für Wahres abzuholen. Hast du eine ungefähre Vorstellung davon, wie die Sache ausgegangen wäre, hätte ich die Lohnabrechnung nicht bis spätestens 12 Uhr Mittag fertiggestellt und damit die Lohnauszahlung verhindert?“

þiggjandi: „Jæja, Zeiten ändern sich.“

Sendandi: „Was würdest du dazu sagen, sollte ein Päckchen für den Transport bei einer Entfernung von – sagen wir mal 500 km –  sage und schreibe vier Wochen benötigen?”

þiggjandi: „Dass wohl eine Postkutsche durch einen Esel ersetzt worden ist. Bei 28 Tagen müsste ein Esel ungefähr pro Tag 18 km zurücklegen, das dürfte für einen Esel zu schaffen sein. Was soll die Frage? Posturinn benötigt für diese Entfernung von Isafjörður nach Kevlavík gerade mal einen Tag. Sollte das Päckchen in das Ausland transportiert werden, ist dabei sogar die Zollabfertigung inbegriffen.”

Sendandi: „Meine Rede handelt auch nicht von Posturinn dort unten. Was würdest du dazu sagen, dass du im Falle, das Päckchen wurde bei dem Transport gestohlen oder sei sonstwie abhanden gekommen und du dafür Abhilfe verlangst, dafür ausgelacht wirst, wolltest du einen Diebstahl bei der Polizei zur Anzeige bringen und von der Post dein Entgelt zurückverlangen, da dieses Ansinnen von Regierung, Behörde und Staatsbürgern als nicht normal angesehen wird?”

(c) DHL

þiggjandi: „Dass es sich dabei wohl um gesegnete Ignoranten handeln dürfte, welche solcherlei Erfahrungen dem allgemeinen Lebensrisiko zuordnen. Wie kann es eigentlich zu solchen Ereignissen kommen? Es verhält sich doch mittlerweile so, dass jeder Postversand elektronisch erfasst und teilweise sogar vollautomatisch bearbeitet wird, demnach die Post jederzeit nachweisen könne, wann und wo ein Päckchen bearbeitet wurde und verschwand.”

Sendandi: „Nun, das ist zweifellos zutreffend. Allerdings verhält es sich in jenem Land so, dass diese Informationen nur dann herausgegeben werden, wenn der Absender dafür einen nicht unerheblichen Betrag extra bezahlt. Mit einer weiteren Extrazahlung würde ihm auch der Schaden ersetzt werden, welcher dem Absender durch den Verlust des Inhalts entstanden ist.”

þiggjandi: „Du willst mir erzählen, dass ich dort einen Diebstahl oder Verlust ohne Erstattung meines Verlustes und Rückerstattung meiner Bezahlung für eine nicht erbrachte Leistung hinzunehmen habe, sollte ich zwar für die Leistung nur die üblichen 16 € bezahlt haben, nicht jedoch 30 € für eine zusätzliche Versicherung und eine Sendungsverfolgung? Wie kommt´s? Die haben doch ohnehin alle Nachweise und sind auch verantwortlich für den Verlust, so dass es eine Selbstverständlichkeit wäre, bei dem Kunden für eine nicht erbrachte aber bezahlte Leistung in vollem Umfang geradezustehen?”

Sendandi: „Vermutlich handelt es sich bei der zusätzlichen Zahlung von 14 € um eine Art Schmerzensgeld für die Post, da diese damit ihre Empathie für Diebe und Schlamperei in den eigenen Reihen hintanstellen muss.”

þiggjandi: „Wohl eher dafür, die Esel zu mästen, welche diese Praxis eingeführt haben. Verhält es sich doch so, dass selbst bei Gemeinschaften, welche von der wissenschaftsbasierten Informationsgesellschaft einst irrtümlich primitive Völker genannt wurden, es eine Selbstverständlichkeit war und ist, für eine bezahlte Leistung die Leistung auch zu erbringen und Dieben keinerlei Privilegien zu gewähren.”

Sendandi: „Nun, diese Naturvölker haben ja auch nach Ernst Haeckel keinen Evolutionsprozess durchlaufen, der eine Höherentwicklung darstelle, womit es sich bei diesen Völkern nur um lebende Fossilien handle, welche aus verschiedenen Gründen stehengeblieben seien. Ich hoffe doch, dass du nicht das Grautier meinst, welches in vielen Ländern zuverlässig seine wertvolle Arbeit verrichtet?”

© fernsuchtblog.de

þiggjandi: „Darauf kannst du wetten, dass ich nicht dieses Grautier meine.”

Sendandi: „Na, dann steht ja nichts im Wege, jenen Eseln, welche diese seltsame Praxis einführten und klaglos hinnehmen, ein kleines Liedchen zu gönnen. Magst du?”

þiggjandi fasste Sendandi bei der Hand und beide tanzten einen Reigen auf dem Stein:

(20) Habgierig schlüpfrig
und ohne Acht
erfrisst er sich Ärger,
oft erntet Spott
wer zu anderen kommt
mit eines dummen Menschen Ranzen

 (20) Gráðugur halur,
nema geðs viti,
etur sér aldurtrega.
Oft fær hlægis
er með horskum kemur
manni heimskum magi. 1)

1) Anm.: Vers 20, „Hávámál og Völuspa“, Gísli Sigurðsson, Svart á Hvítu, Reykjavik 1986

Die Dunning-Kruger-Effekt-Pandemie

Ónytjungur: „Na, ist deine Arbeit endlich erledigt?“

Jólasveinn: „Alles im grünen Bereich. Dankenswerterweise gibt es diesen Brauch nur hierzulande und nicht anderenorts.“

Ónytjungur: „Wieso? Hast du alle Kartoffeln bereits hier verbraucht?“

Jólasveinn: „Keineswegs, aber anderenorts hätte eine Kartoffel im Schuh nicht gereicht, ich hätte einen ganzen Sack Kartoffeln darin deponieren müssen. Das wäre mir zu beschwerlich gewesen bei meinem Rücken.“

Ónytjungur: „Nun ja, vermutlich wären die Schuhe herfür auch viel zu klein gewesen. Aber aus welchem Grund gleich einen Sack voll Kartoffeln? Hier genügt doch auch bereits eine einzige Kartoffel.“

Jólasveinn: „Wie du weißt, legen die Leute hier größten Wert auf eine präzise Sprache. schätzen gute Literatur über alles, erhalten sogar Philosophieunterricht an Grundschulen, sind sehr gebildet und haben daher ihre Politiker gut erzogen …“

Ónytjungur: „… und sollten die Politiker dennoch einmal aus dem Ruder laufen, werden sie solange mit dem Lärm von Topfdeckeln und Pfannen malträtiert, bis diese freiwillig die Flucht ergreifen, alles bekannt …“

Jólasveinn: „… und Betrüger schleunigst das Land verlassen …“

Ónytjungur: „… auch das ist bekannt, sie gehen freiwillig in die Verbannung …“

Jólasveinn: „… und für den Fall, wie wollten sich wieder heimlich ins Land schleichen, werden deren Konterfeis in die Männer-Pissoirs geklebt, damit sie ein jeder sofort erkenne. Allerdings sind solche guten Sitten nicht in allen Ländern üblich, dort liegt es daher sehr im Argen.“

Ónytjungur: „Ich staune und hoffe, du schilderst es mir auf eine Art und Weise, so dass auch ich es verstehen könnte.“

Jólasveinn: „Was würdest du zum Beispiel von einem Wissenschaftler halten, der dir allen Ernstes vorschlägt, dein Knie operieren zu wollen, da dies dich davor schützen würde, dass du Windpocken bekommst und damit andere ansteckst, später dir erklärt, dies würde allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum Abhilfe schaffen, um dann noch nachzuschieben, diese würde allerdings auch nicht verhindern, dass du andere mit Windpocken anstecken könntest?“

Ónytjungur: „Dass es sich dabei wohl um einen Versicherungsvertreter handeln müsse, denn die versprechen einem auch gerne das Blaue vom Himmel vor Vertragsabschluss.“

Jólasveinn: „Was würdest du ferner von Politikern halten, denen in dem Moment, in welchem das Staatsvolk dringend der Hilfe bedarf, ihre Machtposition dahingehend nutzen, durch geschickte Geschäfte Millionenbeträge der stattlichen Hilfe sich selbst zuzuschustern?“

Ónytjungur: „Gibt es dort keine Strafgesetze?“

Jólasveinn: „Was würdest du von Behörden halten, welche Jahre zu der Feststellung benötigen, ob ein Produkt, welches vor Erkrankung schützen soll, überhaupt schützt, oder es sich dabei nicht vielmehr um ein wertloses Produkt handelt, welches zwar teuer eingekauft, allerdings nur vorgibt, dass es schützen würde, dies jedoch wissentlich nicht tut?“

Ónytjungur: „Gibt es dort auch kein bürgerliches Gesetzbuch, welches den Geschädigten ermögliche, umgehend Schadensersatzforderungen einzutreiben?“

Jólasveinn: „Du weißt ja, es gibt dort kein Recht, kein Gesetz, nur Schriftsätze. Zu guter Letzt, was würdest du von Medien halten, welche anstelle investigativer Recherche es lieber vorziehen, tagein, tagaus mit gefälligen Fragen einem ausgewählten Kreis von Selbstdarstellern eine Bühne zu bereiten?“

Ónytjungur: „Darf ich raten? Die amerikanische Schwatzbude namens ‘Talk-Show’“?“

Jólasveinn: „Ich frage dich allen Ernstes: Würde bei all jenen eine einzige Kartoffel reichen?“

Ónytjungur: „Nun, das Staatsvolk wird diesen sicherlich wie hier üblich sehr schnell zeigen, wo der Bartl seinen Most holt.““

Jólasveinn: „Du vergisst, sie entbehren dort der hier üblichen Erziehung und Bildung, welche zu Selbstverantwortung und Freiheit führt.“

Ónytjungur: „Möglicherweise ist die Ursache in der Staatsform zu finden.“

Jólasveinn: „Ob Diktatur, Monarchie, mittelbarer Mehrheitsentscheid, sie unterscheiden sich darin keinen Deut. Auffallend ist, dass sich allesamt vor Jahrhunderten einem Schichtenmodell unterwarfen, an dessen Spitze ein Führer thronte, der par ordre du mufti befahl – sei dieser Führer nun klerikal, weltlich oder gleich beides -, darunter lag eine privilegierte Schicht aus Speichelleckern oder Aufmüpfigen, allgemein als Aristokratie bezeichnet, als Bestherrschaft angesehen, schließlich die abhängigen Kreaturen der letzten Schicht, die jeglichen Rechts beraubt.“

Ónytjungur: „Was kam deiner Ansicht nach dabei heraus?“

Jólasveinn: „Eine Melange aus sechs Typen. Da wäre zum Beispiel der gehorsame Typ.“

Ónytjungur: „Du meinst jenen, der zu allem Ja und Amen sagt, ohne dass ihm daraus ein Zweifel erwachse?“

Jólasveinn: „Es gäbe da auch noch den duldenden Typ.“

Ónytjungur: „Er sagt zwar zu allem Ja und Amen, obschon er still darunter leidet?“

Jólasveinn: „Nun, es gibt auch den ablehnenden Typ.“

Ónytjungur: „Er widerspricht, lässt aber Unbeteiligte unbehelligt?“

Jólasveinn: „Ganz im Gegensatz zum beschuldigenden Typ.“

Ónytjungur: „Der zwar nicht widerspricht, allerdings Unbeteiligte beschuldigt.“

Jólasveinn: „Das Schlusslicht bildet der gehirnlose Typ.“

Ónytjungur: „Aha, er weigert sich also und beschuldigt Unbeteiligte.“

Jólasveinn: „Den autarken Typ, der dort unten im Tal die Mehrzahl stellt, findest du dort nur noch selten, wegkonditioniert durch Jahrhunderte währende bittere Erfahrung am eigenen Körper.“

Ónytjungur: „Du zeichnest ein düsteres Bild, mein Freund.“

Jólasveinn: „Nun, es wurden ihnen Wege aufgezeigt, um sich darin zurechtzufinden.““

Ónytjungur: „Als da wären?“

Jólasveinn: „Zwei amerikanische Wissenschaftler, die Sozialpsychologen David Dunning und Justin Kruger, beruhigten im Jahr 1999 die händeringend nach einem Ausweg suchende wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft im ‚Journal of Personality and Social Psychology‘ mit einem Artikel, demzufolge jeder der gegnerischen Seite zurecht vorwerfen könne, diese sei nicht nur inkompetent, sondern auch aus Dunning-Kruger-Gründen außerstande, dies  einzusehen.“

Ónytjungur: „Verhält es sich nicht vielmehr so, dass selbst das zurückhaltende Ergebnis aus der Originalveröffentlichung mittlerweile widerlegt wurde? Das Experiment sei zwar reproduzierbar und der Effekt trete tatsächlich auf, er ließe sich allerdings auch dann hervorrufen, falls man das Experiment weglässt und die Ergebnisgrafik aus Zufallszahlen erzeuge, denn in Wirklichkeit kann niemand die eigene Kompetenz korrekt einschätzen.“

Jólasveinn: „Jæja, gamli minn. Das erinnert mich an jenes Ereignis, als ein Mensch in seiner Badewanne saß und das Telefon klingelte. Der Mann stand also auf, eilte zum Telefon, nahm den Hörer ab und hörte die Stimme eines Mannes.“

Ónytjungur: „Und weiter?“

Jólasveinn: „Die Stimme am Telefon teilte mit, er führe gerade eine Meinungsumfrage durch und seine erste Frage an den Angerufenen im tropfenden Bademantel wäre, ob dieser wegen einer Meinungsumfrage aus seiner Badewanne steigen würde.“

Ónytjungur: „Ist es nicht seltsam, dass je mehr einer das Ursache-Wirkungs-Prinzip abstreitet, also die Kausalität, umso mehr er in Korrelationen sein Heil sucht?“

Jólasveinn: „Wen wundert es dann noch, dass sie sich darüber laufend in Widersprüche verstricken? Magst du ein Lied mit mir singen?“

Ónytjungur fasste Jólasveinn bei der Hand und beide tanzten einen Reigen auf dem Stein:

„Seitdem man begonnen hat,
die einfachsten Behauptungen
zu beweisen, erweisen sich viele
von ihnen als falsch.

Manche Menschen würden eher
sterben als nachdenken.
Und sie tun es auch.“ 1)

1) Bertrand Russell


Requiem der wissenschaftsbasierten Informationsgesellschaft

Ónytjungur kam nach einer langen beschwerlichen Reise zurück zu seinem alten Freund Aldavinur.

Aldavinur: „Willkommen, alter Freund. Was weißt du neues zu berichten aus der Welt der Wesen?“

Ónytjungur: „Wie du weißt, gab es in der Vergangenheit das Gegensatzpaar Betriebsblindheit und Querdenker.“

Aldavinur: „Ist mir geläufig.“

Ónytjungur: „In der wissenschaftsbasierten Informationsgesellschaft wurden diese eindeutigen Begriffe nun in eine Art Dreisatz umgewandelt.“

Aldavinur: „Dreisatz?“

Ónytjungur: „Ja, was vordem ein Breitmaulfrosch, wird nun  Querdenker genannt …“

Aldavinur: „… aber innerhalb von Anführungszeichen …“

Ónytjungur: „… mag sein, jedoch wer achtet heutzutage noch auf das Kleingedruckte, der gute Ruf ist damit endgültig ruiniert, und was einstmals Betriebsblindheit, ist nun aufgeklärter Mensch genannt.“

Aldavinur: „Will sagen, der ehemals Querdenker genannte Typ ist ausgestorben?“

Ónytjungur: „Nicht vollständig, es soll noch solche geben, welche zu systematischer und umfassender Untersuchung fähig. Dir dürfte ja der Unterschied zwischen Generalist und Spezialist geläufig sein.”

Aldavinur: „Nun, der Spezialist dringt in die Tiefe, weiß daher von immer weniger immer mehr, bis er von nichts alles weiß, hingegen der Überflieger von immer mehr immer weniger weiß, bis er von allem nichts weiß.“

Ónytjungur: „Allerdings ist sich die wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft nunmehr darin einig, ihre eigene Totenmesse abzuhalten.“

Aldavinur: „Sie gedenkt ihrer selbst in einer Missa pro defunctis, einer Messe für die Verstorbenen? Aus welchem Grund, sie lebt doch noch?“

Ónytjungur: „Wie du weißt, gibt es einen Unterschied zwischen der scheinbaren Welt und der realen Welt.“

Aldavinur: „Wie meinen?“

Ónytjungur: „Nun, wenn ich zum Beispiel eine Zigarette schmauche, dann ist die Welt für mich persönlich in Ordnung, mein Körper hingegen sieht das nicht so.“

Aldavinur: „Was willst du mir damit sagen?“

Ónytjungur: „Dass bereits dieses Beispiel zeigt, dass es eine scheinbare Welt und eine reale Welt gibt. Die Frage ist nur, in welcher sich einer aufhalten möchte.“

Aldavinur: „Schön und gut, und in welcher möchte sich die wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft aufhalten?“

Ónytjungur: „In der scheinbaren Welt.“

Aldavinur: „Es scheint also der wissenschaftsbasierten Informationsgesellschaft, dass sie verstorben sei.“

Ónytjungur: „Das genaue Gegenteil ist der Fall, sie sieht sich in ihrer Blütezeit. Demokratie und Wissenschaft hätte sie emporgehoben aus den Niederungen primitiver Völker und ihre Welt mit Wohlstand und Freiheit angefüllt.“

Aldavinur: „Ist dem nicht so?“

Ónytjungur: „Das kommt auf den Blickwinkel an. In der realen Welt wäre einer sofort zu den Schwachsinnigen gezählt werden, würde er solchen groben Unfug behaupten, in der scheinbaren Welt hingegen erfreut er sich dem zustimmenden Nicken abhängiger Kreaturen, was er irrtümlich als Bestätigung auffasst, statt Ausdruck vorhandener Betriebsblindheit.“

Aldavinur: „Soso.“

Ónytjungur: „Den Gazetten – vormals Quelle faktenbasierter Informationen, auf professioneller Recherche beruhend -, war aufgefallen, dass die Leser am liebsten jenen Gockel hören, der am lautesten kräht …“

Aldavinur: „… was er gewöhnlich auf einem Misthaufen tut …“

Ónytjungur: „… und da die Masse durch faktenbasierte Information zu einer mentalen Leistung aufgefordert wird, welche unter dem Begriff Differenzierung zusammengefasst, daher sehr schnell die Lust verliere,  abwinke, und zu mehr zugänglicheren Themen flüchte …“

Aldavinur: „…  die Sensationslust ist dem aufgeklärten Menschen heilig …“

Ónytjungur: „… daher sich die Gazetten genötigt sahen, die nächste Sensation mit so genannten Schlagzeilen rauszuhauen …“

Aldavinur: „… nach dem Credo ‚Mutter zerstückelte ihre Kindern, BILD sprach zuerst mit den Frikadellen‘, bestens bekannt …“

Ónytjungur: „…  statt die Breitmaulfrösche es unter sich aushandeln zu lassen …“

Aldavinur: „… was aber als Unterdrückung von Meinungsfreiheit aufzufassen wäre, wie du weißt …“

Ónytjungur: … was allerdings eine Behauptung, die grober Unfug ist, Es gibt zwar das Recht auf freie Meinungsäußerung, von einer Pflicht, auf diese auch einzugehen, ist mir nichts bekannt, und da die Informatik den Breitmaulfröschen hierzu vor etlichen Jahren extra Foren wie Twitter und Instagram geschaffen hatte, auf denen sie sich ihren geistigen Müll gegenseitig um die Ohren hauen können  …“

Aldavinur: „… wohl eher um die Augen …“

Ónytjungur: „… demnach Foren, welche unter Missachtung der Definition des Adjektivs sozial, was bekanntlich eine gemeinnützige, hilfsbereite und barmherzige Handlung bezeichne, in einer kaum noch zu überbietenden Hybris ausgerechnet Soziale Netzwerke genannt wurden, so dass keinem ein Schaden daraus entstehe, folglich bräuchten die Gazetten gar nicht mehr den Sermon der Breitmaulfrösche zu verbreiten, welcher geboren aus Aufregung und Gegenaufregung.“

Aldavinur: „Womit aber die Behauptung nicht erklärt, die wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft sei sich darin einig, ihre eigene Totenmesse abzuhalten, geschweige denn, was der Unterschied sei zwischen scheinbarer Welt und realer Welt.

Ónytjungur: „Gemach, gemach. Verhält es sich nicht so, dass unabhängig vom Herrschaftssystem, nenne sich dieses nun Monarchie, Diktatur oder Demokratie – wobei unter den Wort Demokratie die Aufforderung zu verstehen ist, es habe sich die Nation dem Mehrheitswillen zu unterwerfen, unabhängig davon, von welchem Wahn die Mehrheit gerade heimgesucht werde -, Menschen zu Abertausenden ermordet werden?     

Aldavinur: „Es ist nicht zu leugnen, dass bei einem Vergleich des Verhältnisses der Summe an Getöteten, die im Namen des Guten und im Namen des Bösen ihr Leben verloren, mehr Sorge angebracht wäre wegen jener, die nicht als Verbrecher angesehen.“

Ónytjungur: „Es wird auch kolportiert, der Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln; demnach der Kulminationspunkt im Übergang von der Dummheit zur Aufregung.“

Aldavinur: „Ist es doch die erstrebenswerte Aussicht selbst, welche die Einsicht verhindert.“

Ónytjungur: „Weiterhin, trifft es zu, dass im Verhältnis zur Gesamtheit der Weltbevölkerung  die überwiegende Mehrheit um das Existenzminimum zu kämpfen hat, während einige Leute, welchen unverständlicherweise auch noch Achtung widerfährt, nicht mehr wissen wohin mit all dem Vermögen, welches sich diese angehäuft haben, sich in das Weltall mit Raketen schießen, sich Jachten zulegen, welche mehr einem Kreuzfahrtschiff gleichen als einer Jacht?“  

Aldavinur: „Sozialneid, willst du hier dem Kommunismus oder Sozialismus die Stange halten?“

Ónytjungur: „Keineswegs. Ist es doch gerade der Ismus, der eine an sich vernünftige Idee ins Unvernünftige überführt. Neige ich zu Glaubenssystemen, handelt es sich nicht dabei um eine Landenge, welche zu beiden Seiten von Wasser begrenzt? Vielmehr wäre eine Kleptokratie zu konstatieren, welche von einer Ochlokratie als notwendiges Übel geduldet. Wären diese Ignoranten im Weltall geblieben, es wäre kein Schaden für die Menschheit entstanden.“

Aldavinur: „Zugegeben, die Analogie ist frappierend, allerdings handelt es sich bei einer Landenge um einen Isthmus und nicht um einen Ismus. In aller Regel handelt es sich bei einem Ismus um eine Idee, einen realen komplexen Sachverhalt durch Simplifizierung dahingehend zu nutzen, um sich selbst via Indoktrination in die Position des Herrschers zu manövrieren.“

Ónytjungur: „Die Welt, das wirksame Geschenk, bietet auch die Möglichkeit, von Menschen vorübergehend als Irrenhaus genutzt zu werden. Um irgendeiner Sache willen.“

Aldavinur: „Schon gut, schon gut. Ich weiß Bescheid. So verwies zum Beispiel die generalisierte Eigenschaft Humanismus über die „Bill of Rights“ in die Reservate, über die Demokratie zur Guillotine, und da nicht ausreichend genug, übers Credo der Atombombe zum Clash of Civilisations.

Ónytjungur: „Dies geschah und geschieht im Augenblick, obschon im Gegensatz zu früher, als es noch keine Autos, Flugzeuge, Zeitungen, Radios, TV-Geräte und Internet gab, so dass Kinder betteln mussten ‚Papa, Papa, nimm mich mit ins Nachbardorf, ich will die Welt sehen‘, heutzutage die wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft bis zum Abwinken mit einer Informationsüberflutung überschwemmt wird, diese sich desinteressiert heilsuchend in Shows und sonstiger geistiger Unterforderung flüchtet.“

Aldavinur: „Nun, der durch Mehrheit bestimmte Zustand einer Republik lässt sich an jenem Geisteszustand messen, der durch tägliche Einschaltquoten dokumentiert. So wird zum Beispiel unter dem Wort Privatfernsehen ein Zeitgeist verstanden, in welchem heuchlerische Zyniker erbärmlichen Charakteren eingebildete Naivlinge zu präsentieren haben, da zum Einen ein ungeheurer Bedarf danach vorhanden, und zum Anderen sonst die Rechte der Aufklärung auf freie Meinungsäußerung, auf Pressefreiheit, und auf bedarfsgerechte Grundversorgung verletzt werden würden.“

Ónytjungur: „Der das Loch in den Schiffsbauch bohrte, verlangt nach der billigsten Schwimmweste.“

Aldavinur: „In einer Welt der Konsequenzen wähnt – in Hoffnung auf Inkonsequenz – der Mensch vorausschauend eine Welt der unbegrenzten Möglichkeiten, rückblickend eine Welt des reinen Zufalls, und nennt diese seine Sichtweise – Evolution.“

Ónytjungur: „Konnte ich dir deutlich machen, wie ich zu der Behauptung komme, die wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft sei sich darin einig, ihre eigene Totenmesse abzuhalten und was der Unterschied sei zwischen scheinbarer Welt und realer Welt?

Aldavinur: „Nun, es erinnert mich an jene Episode, welche über einen Würfel erzählt wird. Ein Tröll starrte ungläubig auf den silbernen, glänzenden Widerstand in seinen Augen, veränderte seinen Standort, erkannte die quadratische, räumliche schwarze Struktur, bewegte sich abermals, bemerkte verblüfft den auftauchenden weißen Kreis im Schnittpunkt der Diagonalen, sinnierte über den nun silbernen oder doch schwarzen Gegenstand mit seinem nun existenten oder doch nicht existenten runden Fleck in der Mitte, reiste von der Umgebung zur Sonne, schlenderte dem am Horizont verschwindenden Lichtstrahl entlang, von Quanten zu Quanten hüpfend, prallte auf die offensichtlich gegenständliche Oberfläche, glitt in bestimmten Winkel auf die Netzhaut, wühlte sich ins spiegelnde Gehirn und erkannte sich erinnernd einen schwarz bemalten Würfel aus Holz. Der Tröll, da nunmal auf Reisen, rammte sich durch dessen Oberfläche, puhlte sich zwängend durch drückende Molekülkugeln, betatschte verinnerlicht zärtlich Atome, setzte sich rapide schrumpfend auf das winzige Elektron, umkreiste den kaum noch sichtbaren, weit entfernten Kern, fühlte seine plötzliche dunkle Einsamkeit in der entleerten Natur, rutschte panisch aus dem Würfel, grabschte kurzentschlossen nach ihm und irritierte den Barkeeper: Würfeln wir einen aus?

Ónytjungur: „Was willst du mir damit sagen?“

Aldavinur: „Da es keine Wege gibt, auf denen sich nichts erfahren ließe, wäre jede Vorschrift über erlaubte und unerlaubte Wege Ausprägung vorhandenen Unwissens, gibt es doch nur nützliche und nutzlose Wege, und wer könnte da wissen, wo doch Nutzen nur Nutzen sein kann, wenn durch ihm kein Schaden bedingt, und auch jeder Weg nur ein einziges Mal begangen wird, da er danach für niemandem mehr begehbar wurde.“

Ónytjungur: „Ich verstehe nur Bahnhof.“

Aldavinur: „Ich will dir damit sagen, dass ich über keinerlei Antworten verfüge. Ich wäre schon froh, wenn es mir gelänge, die richtigen Fragen zu stellen. Magst du mit mir ein Lied singen??

Ónytjungur fasste Aldavinur bei der Hand, beide tanzten einen Reigen auf ihrem Stein und sangen dazu das Lied über die Weisheit:

Wollte sie sich
beschreiben,
sie beschriebe sich
als zwangseingewiesener
Patient,
auf Krücken
durch Korridore
einer Irrenanstalt
humpelnd,
und nicht
als deren
Psychiater.

Wäre ich weise,
oder wenigstens intelligent,
ich befände mich nicht
an jenem Ort
zwischen Traum und Wachsein,
vom Schlaf in den Tag flüchtend,
und vom Tag in den Schlaf.

Der kurze Weg von der Idee zur regelbasierten Unordnung namens Dogma

Venja: „Wilkommen Athugandi, du hast Neues auf deinen Reisen dir erfahren und weißt Neues zu berichten?“

Athugandi (Beobachter): „Nur das Übliche, die Evolution von trial-and-error ist weiter fortgeschritten.“

Venja: „Versuch und Irrtum? Wie kommt’s? Hat die wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft keine Wende herbeigeführt?“

Athugandi: „Das Gegenteil ist zu berichten. Du kennst ja den Grundsatz ‚Garbage in, garbage out‘. Offensichtlich gehört dieser Grundsatz zu den anthropologischen Konstanten.“

Venja: „Es gibt Ausnahmen. Ich finde hier Müll unter zahllosen Steinen. Offensichtlich ist den Touristen es zwar nicht zu beschwerlich, schwere Rucksäcke zu tragen, hingegen zu beschwerlich, leichte Rucksäcke zu tragen, welche nur noch leere Verpackungen enthalten. Sinnlos, die Gründe hierfür verstehen zu lernen.“

Athugandi: „ „Möglicherweise sind diese dazu unfähig, jene Begriffe zu verstehen, zu denen ein Gegensatz gebildet wurde.“

Venja: „Womit sich die Frage stelle, ob es sein kann, dass diese Gattung nicht hat, was ihrer Natur nach gehabt werden könne, also auch dann, wenn es für diese Gattung prinzipiell ausgeschlossen sei, das Fehlende zu haben …“

Athugandi: „… oder etwas zwar theoretisch haben könnte, es jedoch artbedingt oder individuell nicht hat.“

Venja: „Möglich wäre auch, dass sie dies etwa aus irgendeinem Grund nicht hat,  obwohl sie von Natur aus dazu geeignet wäre, das Fehlende in dieser Hinsicht zu haben.“

Athugandi: „Nun ja, dafür gibt es ja das Werden. Ich darf zitieren: Was aber wird, das wird alles durch etwas, aus etwas und zu etwas. Zu etwas meine ich im Sinne jeder Kategorie: Substanz, Quantität, Qualität, Ort. Natürlich heißt dasjenige Geschehen, wo sich ein Entstehen aus der Natur heraus vollzieht. Dabei ist das, woraus etwas wird, das was wir Materie nennen; das, wodurch etwas wird, ist irgend ein von Natur Gegebenes; das, wozu etwas wird, ist ein Mensch, eine Pflanze oder sonst etwas derartiges, was man vorzugsweise als selbständige Wesen bezeichnet.“

Venja: „Sie brechen jetzt- so ist zu hören –  in eine neue Ära der Menschheit auf, in der sie die Möglichkeit haben könnten, sich gegen den Einschlag eines Asteroiden zu schützen.“

Athugandi: „Wird der Einschlag nicht erst in einigen hundert Jahren erwartet? Wer oder was schützt diese Spezies bis dahin vor sich selbst?“

Venja: „Nun, es werden laufend Ideen entwickelt, wie dies gelingen könnte.“

Athugandi: „War bisher nicht zu beobachten, dass Ideen nur dann erfolgreich sind, sollte einer sie dazu verwenden, um daraus Dogmen zu schmieden?“

Venja: „Nun, Dogmen sind das Geglaubte, Gemeinte, Beurteilte und Beschlossene, wie Du weißt. Es blüht der Geist erst auf, wenn er beginnt, anderen etwas vorzuschreiben.“

Athugandi: „Wird mit Idee nicht etwas bezeichnet, was gesehen werde und einen bestimmten Eindruck mache?“

Venja: „Wenn dem so ist, dann hinterlässt offensichtlich nur Eindruck, was beschränktem Geist auch zuträglich. Dies würde allerdings den Fortschritt von der Idee über die Ideologie zum Dogma plausibel erklären, die Notwendigkeit einer regelbasierten Unordnung als anthropologische Konstante.

Athugandi: „Das Problem beginnt bereits bei der verwendeten Sprache.“

Venja: „Wie meinen?“

Athugandi: „Ich darf dich an die hierzulande übliche Vierteilung hugtak, skilgreining, vísimið und iðorð  erinnern? Nun, wie wir beide wissen, folgte anderenorts in der Geschichte der Schlamperei bei der Interpretation von Texten die Schlamperei bei der Übersetzung von Worten und Texten, daraufhin die Begriffserweiterung und Begriffsverengung, anstelle hierfür neue signifikante Ausdrücke zu entwickeln. Obendrein schmuggelten die Interpreten klammheimlich nur zu gerne auch noch eigenen Senf hinzu.“

Venja: „Nun, bereits vor mehr als 2000 Jahren wurde darauf hingewiesen, dass es zu einem Wort mehrere Bedeutungen gäbe, je nachdem, wie das Wort gebraucht werde.“

Athugandi: „Wirklich? Willst du mir etwa sagen, dass Wittgenstein abgeschrieben habe? Ist es nicht Aufgabe der Wissenschaft, Identität, Gleichheit und dergleichen, sowie die Gegensätze davon zu bestimmen?“

Venja: „Nun, es sind dort Dialektik und Sophistik, welche sich um das Reich der Objekte  und Gegenstände drehen. Es ist davon zu lesen, dass bei der einen die Richtung den Unterschied mache, welche das Erkenntnisvermögen einschlage, bei der anderen sei es das Lebensziel, welches sie sich stecke. Die Dialektik sei nur eine bloße Übung der Erkenntniskräfte an den Gegenständen, die Sophistik treibe hingegen die Wissenschaft nur zum Schein und sei daher keine wirkliche Wissenschaft.“

Athugandi: „Es steht auch geschrieben, dass im Falle,  ein Wort habe unendlich viele Bedeutungen, dann es offenbar gar keinen Sinn mehr mache, denn nichts Bestimmtes bedeuten heiße überhaupt nichts bedeuten, und wenn die Wörter nichts bedeuten, so ist damit das Sprechen der Menschen unter einander aufgehoben und in Wahrheit auch das Selbstgespräch. Denn es ist unmöglich zu denken, wenn man nicht etwas Bestimmtes denke. Solle dies aber weiterhin möglich sein, so müsse für die bestimmte Sache auch der entsprechende Ausdruck gesetzt sein. Du kennst ja hinlänglich meine Vorerkrankung, welche dazu führte, laufend Selbstgespräche führen zu müssen.“

Venja: „Ist mir bestens bekannt. Es sei also, wie wir beide zu Anfang gesagt haben: das Wort habe eine bestimmte und zwar eine einheitliche Bedeutung.“

Copyright (c) FOTO: REUTERS/Lucas Jackson)

Athugandi: „Nun, wie wir beide wissen, bietet die Lyrik, das Gedicht, erfreulicherweise ausreichend Medizin für jene, welche an Ideologien und Dogmen zu leiden haben. Verhält es sich doch so, dass die Lyrik völlig untauglich, hieraus Ideologien und Dogmen schmieden zu können. Als Entschädigung dafür eröffnet sie dem Leser den Raum für freie Assoziationen, welche die Erkenntnisfähigkeit  nicht eindämmen, sondern erweitern. Magst Du mit mir ein Lied anstimmen?

Venja fasste Athugandi bei der  Hand und beide tanzten einen Reigen auf ihrem Stein.

(20) Gráðugur halur,
nema geðs viti,
etur sér aldurtrega.
Oft fær hlægis
er með horskum kemur
manni heimskum magi.
1)

(20) Habgierig schlüpfrig
und ohne Acht
erfrisst er sich Ärger,
oft erntet Spott
wer zu anderen kommt
mit eines dummen Menschen Ranzen.

1) „Hávámál og Völuspa“, Gísli Sigurðsson, Svart á Hvítu, Reykjavik 1986 

Informationsüberflutung

Lljósmynd:  © Kári Þór Jóhannsson, Fiskbúð Sjávarfangs

Bjartsýnismaður: „Wie geht es Ónytjungur?“

Efasemdamaður: „Bei seinem letzten Erfolg setzte er sich gegen 20 Millionen Mitbewerber durch.“

Bjartsýnismaður:  „Waren es nicht 150 Millionen Mitbewerber?“

 Efasemdamaður: „Wären nicht bereits 20 Millionen eine beachtliche Leistung?“

Bjartsýnismaður:  „Er argumentierte nach ausführlicher Betrachtung der Ereignisse, dass die Betrachtungsweise, das Sein über Materie und Geist, Determinierung und Zufall, Erfolg und Misserfolg zu erklären, so ziemlich das Dümmste sei, was der wissenschaftsbasierten Informationsgesellschaft im Zeitalter der Informationsüberflutung eingefallen wäre.“

Efasemdamaður: „Wie kommt er auf solchen Unsinn? Möglicherweise befand er sich zufällig vorne allein in der Pool-Position, die anderen waren gleich schnell, folglich nicht in der Lage, ihn zu überholen.“

Bjartsýnismaður:  „Du meinst, zu jenem Zeitpunkt an solchem Platz?“

Efasemdamaður:  „Was sonst.“

Bjartsýnismaður:  „Und aus welchem Grund nutzt du die Gelegenheit, mir eine Ideologie schmackhaft zu machen?“

 Efasemdamaður: „Welche Ideologie?“

Bjartsýnismaður:  „Die Ideologie des Zufalls.“

Efasemdamaður:  „Folgst du etwa der Ideologie des Determinismus?“

Bjartsýnismaður:  „Weder, noch. Ist dir nicht aufgefallen, dass die Gegensätze Zufall und Determinismus, Erfolg und Misserfolg sowie Materie und Geist eigentlich nichts erklären?“

Efasemdamaður:  „Verhält es sich nicht so, dass es der Geist war, in seinen Ausprägungen gegenseitige  Zuneigung und Begehren, der in Folge zu einem Ereignis führe, in welchem daraufhin die Materie dafür sorgte, dass sich zwei Materien miteinander vereinigten, beruhend auf einen Vorgang, der im Voraus bestimmt, festgelegt und begrenzt, demnach determiniert, das Ergebnis jedoch Behauptungen zufolge nur auf Zufall basieren könne,  weil keine lokalen Ursachen existierten?“

Bjartsýnismaðu: „Spannend. Wird bei solchen Erklärungsmustern nicht etwas zu einfältig nur an allgemein wahrnehmbaren Oberflächen geschabt?“  

Efasemdamaður:  „Es wäre grober Unfug, andere Erklärungsmuster heranzuziehen.“

Bjartsýnismaður: „Mal sehen. Beginnen wir beide mit der Materie? Verhält es sich nicht so, dass Materie sich aus Atomen zusammensetzt, das gesamte Universum nichts anderes ist als ein Raum, in welchem sich diese Atome tummeln, Atome sich zu Molekülen vereinigen, Moleküle sich zu Gegenständen zusammenschließen, demnach auch du und ich nichts weiter sind als eine Anhäufung diverser Moleküle sind, welche sich von andersartigen Zusammenschlüssen von Molekülen ernähren?“

Efasemdamaður:  „Was soll das werden? Chemieunterricht?“

Bjartsýnismaður: „Gemach. Ich gehe auf Grundlage deiner Antwort davon aus, dass wir in  diesem Punkt übereinstimmen. Was nun den Geist betreffe, so wäre festzustellen, dass einige dieser Molekülhaufen die Neigung besitzen, sich zu paaren. Sehe ich das richtig?“

Efasemdamaður (räuspert sich):  Ähem …Sprichst du von jenem, was Fortpflanzung und Liebe genannt?“

Bjartsýnismaður: „Nun, wie zu erfahren ist, handelt es sich hierbei nur noch um Ausprägungen einer historisch entstandenen genetischen Schädigung jener Molekülhaufen, welche sich selbst als Gattung Mensch bezeichnen, da hierzu dem Vernehmen nach nur gegenseitiges Begehren völlig ausreichend sei und dabei das angestrebte Ziel alles andere wäre als ausgerechnet eine Fortpflanzung.“

Efasemdamaður:  Moralapostel geworden?“

Bjartsýnismaður: „Ist einer bereits ein Moralapostel, sobald er sachlich beschreibt,  was da ist? Dann wäre ja keine sachliche Beschreibung mehr möglich, weil sich sicherlich irgendeine Dumpfbacke findet, die unfähig dazu, eine Beschreibung von einer Kritik unterscheiden zu können.“

Efasemdamaður:  „Die Fähigkeit, präzise unterscheiden zu können, ist nicht jedem gleichermaßen gegeben. Worauf willst du hinaus?“

Bjartsýnismaður: „Auf das Phänomen, dass sich immer noch keiner gefragt habe, wie manche der zahllos existierenden Molekülhaufen des Universums darin übereingekommen seien, vorhandene Moleküle dazu zu verwenden, dem Gegenstand, zu welchem sie sich gebildet hatten, auch noch die Möglichkeit bereitzuhalten, dass dieser Gegenstand einen weiteren Gegenstand derselben Art herstellen könne. Welches Interesse könnte diese Moleküle dazu bewegt haben, dergestalt tätig sein zu wollen? Handelt es sich doch dabei – und ich hoffe, wir sind uns wenigstens darin einig – um nichts Intelligenteres als stupide Materie in Form von Atomen, also um Protonen und Neutronen, welche von Elektronen umschwirrt werden. Könntest du mir das in deiner Welt der Gegensätze, also deiner Welt des Geistes und der Materie, des Erfolgs und Misserfolgs sowie des Zufalls und des Determinismus so erklären, dass auch ich als Dummkopf es verstehe?“  

Efasemdamaður:  „Vielleicht wurde eine epidemische Schwelle überschritten? Dabei  geht es um die Frage, wann, in Abhängigkeit von gewissen Parametern, eine Krankheit sich ausbreite, bis sie endemisch werde und wann sie von selber zurückgehe und schließlich aussterbe?“

Bjartsýnismaður: „Nun, zumindest erfüllte deine Antwort das Diktum von Albert Einstein“

Efasemdamaður:  „Als da wäre?“

Bjartsýnismaður: „Modelle sollen so einfach wie möglich sein, aber nicht einfacher.“

Pan(nen)demie

Ónytjungur betrachtete am Abend gerade das bunte Treiben unten in der Stadt, als sein Freund  Ferðamaður den Öskjuhlíð heraufkam.

Ónytjungur: Sei willkommen, Ferðamaður. Was gibt es Neues über die wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft zu berichten? Ich hoffe, nur Gutes.“

Ferðamaður: „Wäre nicht erst zu klären, was du mit dem Begriff wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft meinst?“

Ónytjungur: „In der Tat. Soweit mir bekannt, gibt es da jene, in welcher nicht die Ergebnisse zählen, sondern nur Rollen und Privilegien, und solche, in welchen die Rolle nichts zählt, auch keine Privilegien gewährt werden, und nur dem Ergebnis rege Aufmerksamkeit zuteil wird. Auch in der Art der Beschaffung von Informationen ließen sich diese unterscheiden, in jene, welche als Haptiker Erfahrungen aus einer Vielzahl an Büchern schöpfen, vorzugsweise aus Philosophie, Literatur und Wissenschaft, und solche, welche sich lieber in so genannten sozialen Netzwerken tummeln und die Lektüre von Gedichten dahingehend bewerten, dass diese nicht mehr angemessen sei. Du erinnerst dich sicherlich noch an jenen Gast im Restaurant des BSÍ Terminals, der nach Weihnachten aus zwei prall gefüllte Einkaufstaschen nach und nach einen Gedichtband nach dem anderen herausholte, jeden an einer bestimmten Seite aufschlug, die gesamte Fläche des großen Tisches mit all den aufgeschlagenen Gedichtbänden pflasterte, um dann bei einer Tasse kräftigen Kaffees Stunde für Stunde einen Band nach dem anderen heranzuziehen und darin mit Genuss zu schmökern? Weswegen fragst du?“

Ferðamaður: „Ja, er hatte sich entweder in der Bókaflóð eingedeckt oder zahlreiche gute Freunde. Nun, woher ich komme, pflegt man lieber den Hang zum Zweitbuch, gut sichtbar im Wohnzimmerschrank, vorzugsweise Bildbände, Ratgeber oder sonst etwas Repräsentatives. Ich fragte, weil ich mir keinen Reim darauf machen kann, weswegen die Ergebnisse bei zwei unterschiedlichen wissenschaftsbasierten Informationsgesellschaften derart auseinander klaffen.“

Ónytjungur: „Als da wäre?“

Ferðamaður: „Nun, wie du sicherlich bereits erfahren hast, treibt sich gerade weltweit eine infektiöse organische Struktur herum, welcher reihenweise Menschen zum Opfer fallen, also daran sterben.“

Ónytjungur: „Hat sich auch hier oben herumgesprochen. Sind nicht alle wissenschaftsbasierten Informationsgesellschaften gleichermaßen von der infektiösen organischen Struktur betroffen? Ich erinnere mich, dass dort unten diese infektiöse Struktur zuerst entdeckt wurde, als Einheimische aus einem Ort  namens Ischgl krank zurückkehrten, und der Epidemiologe dort unten das Kaff bereits am 5. März darüber informierte. Reim dich oder ich fress dich.“

Ferðamaður: „Wie kommt es dann, dass dort unten die Letalitätsrate bei 0,1 % liegt, trotz einer  Infektionsrate von 45,5 % und anderenorts die Letalitätsrate bei 0,7 % trotz einer geringeren Infektionsrate von nur  21,6 %? Sicherlich hast du hierzu auch einen passender Reim  in deinem Portfolio.“

Ónytjungur: „Nun ja, hier treiben sich nur ungefähr 368.720 poten-tielle Opfer herum, anderenorts geht die Anzahl in mehrere Millionen, wie auch dir bekannt sein dürfte.“

Ferðamaður: „Ist dies dein Reim? Du entpuppst dich als Laubendichter?“

Ónytjungur: „Ich sage nur die Wahrheit.“

Ferðamaður: „Zweifellos, allerdings unterschlägst du dabei wesentliche Eigenschaften, was ich von dir bisher nicht gewohnt.“

Ónytjungur: „Welche wesentlichen Eigenschaften, du Naseweis.“

Ferðamaður: „Zum Beispiel jene, dass es dort unten nur eine Gesundheitsbehörde gibt, welche sich um ungefähr 368.720 potentielle Opfer sowie um die zusätzlich anreisenden Passagiere am internationalen Flughafen Keflavík zu kümmern hat, dort hingegen sich sage und schreibe 376 Gesundheitsbehörden um die Angelegenheit kümmern, im schlimmsten Fall für nur 338.218 potentielle Opfer. Zudem wurden hier alle Einreisenden – Jacke wie Hose,  ob nun geimpft, ungeimpft oder getestet – einem PCR-Test unterzogen, 5 Tage zur Quarantäne in eine kostenlose Unterkunft verwiesen, erhielten nach 5 Stunden das Ergebnis des ersten PCR-Tests und nach 5 Tagen Quarantäne das Ergebnis des zweiten PCR-Tests auch innerhalb von 5 Stunden, erst danach durften alle raus. Welchen Reim machst du dir nun darauf?“

 Ónytjungur: „Möglicherweise sind diesen dort die Hände gebunden …“

Ferðamaður: „Wieder daneben.“

Ónytjungur: „Nun bin ich s, der sich darauf keinen Reim machen kann. Hättest du auch eine Erklärung parat, welche auf vorhandene Plausibilität überprüfbar ist?“

Ferðamaður: „Wäre einen Versuch wert. Wie dir sicherlich bekannt sein dürfte, ist es die Zeit, welche bei einer Pandemie Leben rettet, oder etwa nicht?“

Ónytjungur: „Das ist eine Binsenweisheit, die keinen Wissenszuwachs bringt, da dies dort unten bereits jeder ABC-Schüler kennt. Und?“

Ferðamaður: Wie lange dauert es dort unten, bis die Infektionskette der infektiösen organischen Struktur unterbrochen wird?“

Ónytjungur: „Nun, die Gesundheitsbehörde dort unten hat umgehend selbst eine Warn-App entwickelt und bereits im April 2020 freigegeben. Die Ergebnisse von PCR-Tests wurden bereits spä-testens nach 5 Stunden mitgeteilt, war einer positiv, wurden dessen Kontakte umgehend aus der Warn-App von der Gesundheitsbehörde ausgewertet und gefährdete Kontaktpersonen unmittelbar per Anruf informiert, dass sich diese in Quarantäne zu begeben haben,  …“

 Ferðamaður: „… und erzielten damit eine 7-Tage Inzidenz von Null. Mir bekannt.“

Ónytjungur: „Und anderenorts?“

Ferðamaður: „Die verließen sich auf Antigen-Tests, Schüler mussten eine OP-Maske tragen.“

Ónytjungur: „Ei verbibbsch. Verhält es sich nicht so, dass Antigen-Tests sehr ungenau sind und OP-Masken bei einem Maskenball angebrachter wären?“

Ferðamaður: „Nun, glaubwürdige Quellen berichten, dass ein großer Online-Händler alle seine Mitarbeiter täglich am Eingang jedes Logistikzentrums einem Antigen-Test unterzieht und nur jene in den Betrieb lässt, welche negativ getestet wurden.“  

Ónytjungur: „Eine weise Maßnahme.“

Ferðamaður: „Dumm nur, dass die Anzahl an Mitarbeitern, welche an der Pforte negativ getestet wurden, kurz danach jedoch wegen Symptomen in einem PCR-Test positiv getestet wurden und deren Anzahl zunimmt.“

Ónytjungur: „Coup de théâtre! Taugen die Antigen-Tests nichts?“

Ferðamaður: „Du weißt ja, wo schnelles Geld gemacht werden kann, musst du auf Betrüger und Vetternwirtschaft nicht lange warten. Zudem sind dort die Behörden immer noch dabei, die feilgebotenen Produkte zu testen, um für die gutgläubigen Anwender die Spreu vom Weizen zu trennen.“

Ónytjungur: „Nach zwei Jahren? Da ist es doch gut, dass die geringe Anzahl von Konsumenten hier große Online-Händler nur müde abwinken lässt, da nix zu verdienen wäre, und dass die Bevölkerung dort unten noch über zwei Beine verfügt, alle Anbieter von Produkten ihre Geschäfte folglich nicht zu schließen brauchen. Wieso sind die dort nach zwei Jahren immer noch nicht damit fertig, die Spreu vom Weizen zu trennen? Steckt darin nicht ein sehr großes Gefahrenpotential?“

Ferðamaður: „Þetta er ekki til umræðu. Zudem zöge ich es vor, über jenes, von dem ich weiß, von einem Anderen zu hören. Ich fliege morgen nach Portugal.“ 

Ónytjungur: „Wie kommt’s?

Ferðamaður: „Ich habe Sehnsucht, einen oder eine Fadista zu hören.“

Ónytjungur: „Fado? Sehnsucht nach Liedern über vergangene Zeiten? Sehnsucht nach besseren Zeiten? Unglücklich verliebt?“

Ferðamaður: „Weit gefehlt, das Liedgut umfasst auch Werke zu sozialen Missständen.“

Ónytjungur: „Oder treibt sich dort die infektiöse organische Struktur nicht herum?“

Ferðamaður: „Weit gefehlt. Obschon dort seit Langem mehr als 90 % vollständig geimpft sind, steigt weiterhin kontinuierlich die Infektionsrate und liegt nun bei 33,6 %.“

Ónytjungur: „Nun denn, so sei es meinetwegen. Hast du vorher noch Lust, mit mir ein Lied zu singen?“

Ferðamaður fasste Ónytjungur bei der Hand und beide tanzten einen Reigen um Perlan herum.

(75) Veita hinn
er vætki veit,
margur verður af aurum api.
Maður er auðigur,
annar óauðigur,
skylit þann vítka vár. 1)

(75) Gewähre dem,
der nichts weiß;
oft wird Reichtum nachgeäfft.
Ein Mensch ist reich,
ein anderer arm,
keinem ein Vorwurf
wegen Unglück & Pech.

1) „Hávámál og Völuspa“, Gísli Sigurðsson, Svart á Hvítu, Reykjavik 1986 

Anmerkung: Am 30. März 2022 berichtet DER SPIEGEL:

Das Paul-Ehrlich-Institut hat vielen Antigenschnelltests ein gutes Zeugnis beim Omikronnachweis ausgestellt. Zu Unrecht, meint der Münchner Virologe Oliver Keppler, die Studie sei unzulänglich. Kritik gibt es vor allem an der Stichprobe. Der Münchner Virologe Oliver Keppler hält die günstige Bewertung von Corona-Schnelltests durch das bundeseigene Paul-Ehrlich-Institut (PEI) für falsch. Der Leiter der Virologie an der Münchner Ludwig Maximilians-Universität (LMU) wirft den Studienautoren des PEI vor, dass eine Arbeit, die das PEI in der vergangenen Woche veröffentlicht hat, wissenschaftlichen Standards nicht genüge. Keppler kritisiert unter anderem, dass die Zahl der Proben für eine verlässliche Studie viel zu gering gewesen sei. …

Es wurde eine viel zu kleine Zahl an respiratorischen Proben pro Virusvariante untersucht, nämlich 4, verglichen mit 50 bis 100 in den meisten internationalen Studien“, schreibt Keppler in seiner Bewertung der PEI-Studie. Die PEI-Daten erfüllten wissenschaftliche Mindeststandards nicht und seien daher nicht aussagekräftig.

Für solche Untersuchungen braucht es ausreichend große Probensets, um statistische Vergleichbarkeit zu erzielen“, heißt es in Kepplers Stellungnahme. Darüber hinaus seien weitere Untersuchungen mit in Zellkulturen expandierten Virusvarianten durchgeführt worden, obwohl die klinische Aussagekraft dieser Methode mittlerweile stark bezweifelt werde. „Man hat fast den Eindruck, hier wurde ein »Jugend Forscht«-Projekt durchgeführt.“

Die vielen Alltagsberichte von mehrfach falsch-negativen Antigenschnelltests selbst bei symptomatischen Menschen, bei denen dann erst Tage später per PCR Covid-19 diagnostiziert wird, sollten uns allen zu denken geben“, schrieb Keppler – und kritisierte das PEI scharf: „Für eine mit Millionen durch den Bund geförderte Bundesbehörde, deren genuine Aufgabe und Verantwortung es ist, diese Fragen fundiert und verlässlich für das Pandemiemanagement in unserem Land zu klären, ist dies fast vier Monate nach Erstbeschreibung von Omikronfällen in Deutschland viel zu spät, inhaltlich dünn und in der Aussagekraft fraglich.

Des Gnoms Genom

Tilvera: “Sie setzen nun entdecken dem erfinden gleich, und argumentieren, dass kein Unterschied bestehe zwischen den beiden Tätigkeiten, denn es sei der Verstand, der entdecke, und da dieser  es ist, der finde, sei es erfunden, und keineswegs entdeckt. Dein Genom wurde daher keineswegs entdeckt, sondern erfunden.”

Ónytjungur: “Ich besitze keinen Gnom. Es war daher bei mir auch keiner zu entdecken, und wäre da, weil bei mir hier nichts zu finden war, deswegen erfunden worden, dass ich einen Gnom besitze, so wurde dies meiner Erinnerung nach vor nicht langer Zeit noch Lüge genannt. Und diese meine Aussage ist wahr,  sowohl für jenen Fall, dass du mit dem Wort Gnom einen Erdbewohner meintest, als auch für jenen Fall, dass du mit dem Wort vom Verstand sprachst.”

Tilvera: “Ich sagte Genom, und nicht Gnom. Du spottest über Kleinwüchsige?”

Ónytjungur: “Wo denkst Du hin. Du weißt, das unsichtbare Volk ist unser treuester Freund, und wir Tröll deren treueste Freunde. Und da das unsichtbare Volk, wie der Name bereits darauf hinweist, unsichtbar ist, kann kein Tröll wissen, ob diese Bewohner im Untergrund nun Riesen, Zwerge, oder keines von beiden sind.  Demnach ist für uns Tröll eine bestimmte Körpergröße völlig nichtssagend, denn wäre es anders, wie könnten wir dann deren treueste Freunde sein.”

Tilvera: “Dennoch sagte ich Genom, und nicht Gnom.”

Ónytjungur: “Würdest Du mir zustimmen, wenn ich behaupte, dass im Falle, mit dem Wort Gnom würden Erdbewohner bezeichnet, dann mit dem Wort eine angemessene Vorstellung über das Bezeichnete verbunden werden könne, hingegen  im Falle, es würde mit dem Wort Verstand bezeichnet,  keine angemessene Vorstellung über das Bezeichnete verbunden werden könne?

Tilvera: “In beiden Fällen wäre das darüber Bezeichnete einer Vorstellung zugänglich. Es ist aber immer noch so, dass ich vom Genom sprach, und nicht vom Gnom.”

Ónytjungur: “Gemach. Wie du weißt, gibt es keine Messgröße, die das Ausmaß an Verstand messe, also jener Fähigkeit, über welche mittels Begriffen sich etwas vorgestellt werde. Eine Messgröße  gibt es selbst dann nicht, setzte einer eine solche. Zudem, bildete einer Begriffe, und verknüpfte er diese dann mit Urteilen,  so wäre einer – wolle er in Folge darüber aussagen – dazu gezwungen, dieses  über Vergleiche mitzuteilen, da über Sprache nur Aussagen von Vergleichen möglich. Doch was wäre dann beschrieben über dieses Etwas, wenn erzählt, es sei größer oder kleiner als, dicker oder dünner als, älter oder jünger als, und was da an Vergleichen noch so möglich?  Das Ding selbst? Oder nur das Ergebnis eines Vergleichs, bezogen auf irgendeine Messgröße?”

Tilvera: “Nun, ebenso verhält es sich mit jenem, was mit dem Wort Akzeptanz bezeichnet. Auch über diese gibt keine Messgröße, die ein Ausmaß an Akzeptanz messe. Selbst dann nicht, setzte einer eine solche. Denn diese wäre immer willkürlicher Natur. Und so wäre von Akzeptanz nur zu sagen, dass es zwar einen oberen und unteren Schwellwert hinsichtlich vorhandener oder nicht vorhandener Akzeptanz gebe, jenseits derer entweder – in der einen Richtung – die Urteilsfähigkeit sich in ein  kollektives Delirium begebe, oder-  in der entgegengesetzten Richtung – ein konkretes Individuum sich  von jeglichem weiteren Versuch einer Kontaktaufnahme verabschiede, nicht jedoch, ab wann denn diese Schwellwerte nach oben oder nach unten genau über- oder unterschritten seien.”

Ónytjungur: “Wie kannst du dann behaupten, in beiden Fällen wäre das darüber Bezeichnete einer Vorstellung zugänglich, also sowohl bei den Ding Erdbewohner, wie bei dem Nichtding Verstand?”

Tilvera: “Nun, weil die Resultate aus der Bildung von Begriffen, und der damit verknüpften Urteile für jedermann wahrnehmbar, so er über Sinne verfüge.”

Ónytjungur: “Zugegeben. Und das auch noch unübersehbar. Jahrhunderte sitze ich nun bereits auf meinem Stein, bin durch Länder gereist, habe mir erfahren, was an Dingen jenseits des Horizonts, und bin dort auf jenes gestoßen, was Intelligenz genannt.”

Tilvera: “Nun, dann verfügst du bereits über Wahrnehmung, was Voraussetzung von Intelligenz. Wie du sicherlich weißt, ist Wahrnehmung selbst nur dumm.”

Ónytjungur: “Nun, ich bin ein Tröll. Ziehe demnach Betrachtungen über Wahrgenommenes allemal einer möglichen Intelligenz vor, und bleibe daher lieber dumm. Stahl doch die Intelligenz zuerst das Land, das ausnahmslos für alle bestimmt, wissend, dass sie damit Artgenossen die Ernährungsgrundlage entziehe. Dann erfand sie den Tausch, und verkündete den Landlosen: ‘Schaffet an meiner statt, und ich gebe euch dafür das Brot, das ich euch entzog!‘ Dann erfand sie die unverderbliche  Ware, die es gar nicht gibt, was dazu führte, dass die einen diese im Übermaß horteten, und die anderen mühsam oder vergeblich sich selbst verleugneten, um etwas davon zu erhalten, denn nur darüber war noch Nahrung zugänglich. Und so wucherten Höfðingar landauf, landab, und jene, die übrig blieben. Da aber noch das Prinzip herrschte, dass jedes konkrete Individuum sich seinen Goði frei wählen konnte,  den Goðar daher jederzeit die Gefolgschaft aufgekündigt werden durfte, ohne deswegen etwas Nachteiliges befürchten zu müssen,  erfand sie die Ideologie, die Nation, die Gesellschaft, die Akzeptanz, welche nur das Ausmaß an Gefolgschaft, die Ochlokratie, die Diktatur der Mehrheit, die Querulanten, die Leitkultur, die Nestbeschmutzer,  ersetzte Gattung durch Volk,  und Wissen durch Meinung, und was noch so alles an Begriffsbildungen möglich, verhedderte und verirrte sich in dem auf solche Weise entstandenen Begriffslabyrinth, verwarf endgültig, dass etwas unstrittig sein könne, und da es hierfür noch keinen Begriff gab, nannte sie es Zivilisation.”

Tilvera: “Du scheinst mir ein Defätist zu sein.”

Ónytjungur: “Du hörst einen, der mutlos und hoffnungslos ist, und die eigene Sache für aussichtslos hält? Setzte eine solche Haltung nicht voraus, dass da einer sich auf den Weg gemacht hätte, Gefolgschaft für die eigene Sache zu suchen, da von Sucht nach Bestätigung oder Widerspruch heimgesucht?  Was wäre da schon anderes gewonnen als Gesocks.”

Tilvera: “Nun, das liegt daran, dass du strohdumm bist.”

Ónytjungur: “Da lob ich mir doch die Dummheit. Verhält es sich nicht so, dass Gefolgschaft es war, die aus der Menge von Milliarden Exemplaren einem Dutzend aus dieser Menge die Möglichkeit schuf, dass dieses Dutzend jedes Lebende von dieser Erde jederzeit auslöschen dürfe, wann immer es einem aus diesem Dutzend gefiele, und die Befugnis hierzu als notwendig ausgab, wider besseren Wissens die Behauptung aufstellend, bereits die Gattung begründe, dass es sich bei solchen bereits per-se um ein vernunftbegabtes Wesen handeln müsse?”

Tilvera: “Dem Versuch einer Abschaffung dieses Zustands wird von intelligenten Leuten kein Erfolg attestiert, wie du weißt. Bist du nun ein systematischer Schlechtreder gesellschaftlicher und politischer Umstände geworden?”

Ónytjungur: “Ich erzähle dir nur, was ich mir auf meinen Reisen erfahren hatte, und nichts darüber hinaus. Sage mir, falls ich lüge, und meine Erinnerung mich betrogen habe, und ich werde meine Erzählung korrigieren.”

Tilvera: “Nun, für den Fall, dass du dich noch daran erinnern kannst: ich sprach nur vom Genom.”

Ónytjungur: “Auch ich spreche von nichts anderem. Sag mir, wie nennst du Etwas, das zwar in der Lage ist, einen gesprochenen oder geschriebenen Satz als Aneinanderreihung von Begriffen zu erkennen, darin enthaltene Begriffe extrahieren und bereits vorhandenen Begriffen zuordnen kann,  Beziehungen und deren Kardinalität in einem Gedächtnis ablegen kann, ausschließlich  in der Lage ist, einer vorgegebenen Reihenfolge von Entscheidungen, Wiederholungen und Anweisungen zu folgen, nur dazu fähig, Erkenntnisse ausschließlich aus dem Gebrauch vorliegender Statistiken gewinne, und jegliche Entscheidung nur auf Grundlage vorliegender statistischer Daten treffen kann? Nennst du solches etwa vorhandenen Verstand, oder Verständnis, oder Besinnung, oder Einsicht?”

Tilvera: “Dies wäre erst anhand jener Begriffe feststellbar, die diesen Nomen vorausgingen, demnach  die Begriffe für  die Tätigkeiten überlegen, verstehen, begreifen, besinnen, und einsehen, da erst über diese Tätigkeiten einer möglichen Vorstellung zugänglich.”

Ónytjungur: “Und ist verstehen, begreifen, sich besinnen, und einsehen möglich im Falle, einer wüsste nur jenes, was ihm persönlich bekannt, jedoch nicht jenes, was ihm unbekannt, dennoch aber vorhanden?”

Tilvera: “Es wären nur solche Annahmen herstellbar, welche das im Unbekannten gebliebene nicht berücksichtigten, was zwangsläufig zu irrtümlichen Entscheidungen führe. Irrtum wäre daher bereits systemimmanent und  vorprogrammiert.”

Ónytjungur: “Womit der Satz erklärt, dass ein Mensch sich stündlich irre. Und da dem so ist, überträgt er nun jenes, was er für Intelligenz hält, auf eine neu geschaffene Gattung, die in der Lage, sich – im Gegensatz zu ihm selbst –  jede Millisekunde irren zu können. Womit ich beim Genom angekommen.”

Tilvera: “Und worin bestünde deiner Ansicht nach die Verbindung mit jenem, von dem du erzähltest, mit jenem, was Genom genannt?”

Ónytjungur: “Nun, ich hörte davon, dass bei diesen Wesen sogenannte Pseudogenome gefunden wurden, die jedoch nicht mehr im Gebrauch seien, vermutlich durch Mutationen außer Kraft gesetzt.”

Tilvera: “Und?”

Ónytjungur: “Nun, ich habe, wie du meiner Erzählung entnehmen konntest, durchaus Anlass zu der Vermutung, dass jene Gattung, die sich selbst die Eigenschaft eines vernunftbegabten Wesens zuschreibt, zwar für Vernunft begabt sei, allerdings größten Wert darauf lege, diese Begabung nicht zu nutzen, diese daher nun in solchen sogenannten Pseudogenen ungenutzt auf jenen Zeitpunkt harre, an dem es wieder opportun, Verständnis und Einsicht zu praktizieren, da sich mittlerweile über die Methode trial-and-error herausgestellt habe, dass erst diese beiden den Fortbestand der Gattung sicherstellen würden, und nicht – wie irrtümlich angenommen – jenes, was Intelligenz genannt, da diese ja nichts weiter als das Resultat aus vorhandener Gefolgschaften, und deren jeweiligem Diktat, welches Akzeptanz genannt.”

Tilvera: “Womit du eindrucksvoll für jedermann belegst, dass du kein vernunftbegabtes Wesen bist”.

Ónytjungur: “Was kein Schaden ist. Ermöglicht doch diese Eigenschaft uns Tröll, aufmerksam zu sein, und sich auf unseren Reisen Wirklichkeit erfahren zu können. Lass mich dich daher mit einem Vers willkommen heißen.”

Tilvera und Ónytjungur fassten sich bei den Händen, sangen ein Lied, und tanzten auf ihrem Stein:

“Hrörnar þöll
sú er stendur þorpi á.
Hlýrat henni börkur né barr.

Svo er maður
sá er manngi ann.

Hvað skal hann lengi lifa?”  1)

 

1) Anm.: Vers 50, „Hávámál og Völuspa“, Gísli Sigurðsson, Svart á Hvítu, Reykjavik 1986 , Übersetzung:

(50) “Die Kiefer verdorrt, die auf kahler Höhe steht,
Ihr nützt nicht Nadel noch Rinde.
So geht es dem Mensch, den niemand mag:
Was soll er lange leben?”

Im Wahrnehmungsgefängnis

Ónytjungur: “Was bringst du Neues aus der Welt der seltsamen Wesen, die immer zahlreicher die Gegend hier heimsuchen?”

Tilvera: “Es ist die Rede davon, dass jeder Schwachkopf, der den freien Willen in Frage stelle, seinen freien Willen dazu benutze, um eine Theorie zu entwickeln.”

Ónytjungur: “Und wie verhält es sich bei jenen, die darüber keine Theorie entwickeln?”

Tilvera: “Befinden sich, so der Erkennende, ebenso in einem Wahrnehmungsgefängnis. Aus diesem heraus erkenne er, dass das produktivste Vermögen die Fantasie sei.”

Ónytjungur: “Meint er mit dem Eigenschaftswort produktiv nun jenes Vermögen, viele konkrete Ergebnisse hervorbringen zu können, oder das Vermögen, schöpferisch sein zu können?”

Tilvera: “Worin läge der Unterschied?”

(Bild: Bernhild Vögel)

Ónytjungur: “Nun, gesetzt den Fall, seine Aussage treffe zu, dass er sich in einem Wahrnehmungsgefängnis befinde, wäre er ja außerstande, konkrete Ergebnisse hervorbringen zu können, könne also nur schöpferisch unterwegs sein, in dem Sinne, dass er zum Beispiel  die These aufstelle, Trolle hätten knubbelige Nasen, und würden grobe Späße treiben.  Nun ist der Vorgang, eine These aufzustellen, dass Trolle knubbelige Nasen hätten und grobe Späße treiben würden, nicht weniger oder mehr schöpferisch als die These, dass das Ding da in deiner Hand ein Apfel sei, er für Trolle genießbar wäre, sie damit ihren leeren Magen füllen könnten, und daran auch keineswegs zugrunde gehen würden, sondern nur nicht verhungerten. Die erste These wäre wie die zweite These schöpferisch, allerdings entbehrte die erste These der Eigenschaft, ein konkretes Ergebnis im Sinne von Tatsache hervorgebracht zu haben, und es ist unschwer zu erkennen, dass die erste These so abwegig ist wie die zweite zutreffend.”

Tilvera: “Er sagt, es hätte bei ihm eine Einsicht gezündet.  Die Menschen würden nur aneinander vorbeileben, sich einander nicht verstehen, sondern sich nur Bilder voneinander machen und sich überstülpen.”

Ónytjungur: “Wie kommt’s? Schließt er von sich auf andere?”

Tilvera: “Er sagt, es gebe kein höheres Ziel, denn so sei der Begriff der Evolution konzipiert. Es gebe zwar eine Höherentwicklung des Lebens, aber dies geschehe nicht aus zielgerichtetem Geschehen, sondern aus Zufallsgeschehen. Es würden jene selektiert, welche die besten Überlebenschancen hätten.”

Ónytjungur: “In der Tat. Als ich vor ein paar Jahrzehnten bei strömendem Regen über einen dieser gepflasterten Gehwege  unten im Park lief, zertrat ich aus Versehen ein paar Regenwürmer, die sich dort in Sicherheit gebracht hatten. Ihr Unglück war, dass sie hierfür sich den falschen Ort zur falschen Zeit aussuchten, wie all jene zerquetschten Regenwürmer verrieten, die vor mir bereits Fußgänger zertreten hatten. Es ist auch unbekannt, ob es sich dabei um Regenwürmer handelte, die dabei der Tod bereits ereilte, bevor sie sich fortpflanzen konnten, wie auch unbekannt, ob es sich dabei um Regenwürmer handelte, die mit Intelligenz begabt waren, oder nur um Dummköpfe. Wie auch immer, jene Regenwürmer, die sich zu jenem Zeitpunkt im Gras aufhielten, hatten sich danach fortgepflanzt. Da die Lebenserwartung der Regenwürmer zwei Jahre beträgt, müsste sich dort nun unten im Park mittlerweile die 25. Generation tummeln. Genau gesagt nur jene, die bei all den zahllosen Regenfällen der letzten Jahrzehnte nicht ausgerechnet gerade in dem Augenblick den Gehweg als einzige Zuflucht vorfanden. Nun sage mir, meint er damit jene, wenn er sagt, diese wurden nur deswegen selektiert, weil diese die besten Überlebenschancen gehabt hätten?”

Tilvera: “Nun, er geht von Rückkoppelung aus.”

Ónytjungur: “Von negativer oder positiver?”

Tilvera: “Von positiver.”

Ónytjungur: “Demnach davon, dass desto mehr, umso mehr, und desto weniger, umso weniger?”

Tilvera: “So scheint es. Er sieht Sinninseln.  Es gebe keinen Sinn, außer er werde erzeugt.”

Ónytjungur: “Und was wird unter Sinn verstanden?”

Tilvera: “Sinn sei etwas, was Einzelne oder auch ganze Kulturen, ganze Kollektive, als produktives Vermögen erzeugen in der Art und Weise, wie sie ihr Leben organisieren. Er ist der Ansicht, dass im Falle, einer hätte das Gefühl, dass sein Leben sinnlos sei, er damit eigentlich sage, dass er ein zusammenhangloses Leben führe.”

Ónytjungur: “Wäre er Philosoph, so wüsste er, dass heutzutage nur noch entweder ein zusammenhangloses Leben oder ein an Blauäugigkeit kaum zu überbietendes Leben möglich.”

Tilvera: “Mit welcher Begründung?”

Ónytjungur: “Schon einmal vom Rabbit Proof Fence gehört?”

Tilvera: “Ein Farmer führte einst in Australien 24 Karnickel ein, damit er sich dort besser heimisch fühlen könne, da …”

Ónytjungur: “Verhält es sich nicht so, dass jeder Einzelne, so er sich einem  Zusammenhang  zugehörig wähne, sich de-facto nur irgendeinem Zusammenhang anschlösse, der nur  irgendeine winzig kleine Teilmenge aller tatsächlich vorhandenen Zusammenhänge wäre? Somit alle weiteren vorhandenen Zusammenhänge schlicht und ergreifend ignorierte?”

Tilvera: “Er sagt, Schopenhauer hätte gesagt, dass die Erde ein erkalteter Planet mit einem Schimmelüberzug von Leben sei, und der Schimmel die Eigenschaft hätte, sich überall auszubreiten, auch ziemlich unappetitlich sei, es aber in­mitten des Schimmels gemütlich und warm wäre. Dies sei allerdings nur eine Metapher gewesen.”

Ónytjungur: “Beschrieb er dabei nicht jenes, was sich da bis auf den heutigen Tag zeige? Und bestünde der Sinn dessen nun darin, dass sich einer einem Zusammenhang anschließe, der nur  irgendeine winzig kleine Teilmenge aller tatsächlich vorhandenen Zusammenhänge sein kann, nur um es etwas gemütlich und warm zu haben?”

Falschmeldung

Ónytjungur: “Was bringst du Neues von deiner Reise? Ich frage nur, da ich diesen Winter  jeden Tag hier ein seltsames Ereignis beobachte.”

Tilvera: “Und was soll deiner Ansicht nach seltsam sein?”

Ónytjungur: “Hast du keine Augen mehr im Kopf? Die Berge ringsum weinen jeden Tag schwarze Tränen auf ihr weißes Kleid!”

Tilvera: “In der Tat. Seit die Wissenschaftler das Klima hier aufzeichnen, so ist zu hören, war es zu keiner Zeit hier um diese Zeit so warm. Stürme lassen das Mittagsland, das sich aus welchen unerfindlichen Gründen auch immer selbst Abendland nennt, nun schon das zweite Jahr rechts liegen, und pusten die warme Luft im Winter lieber in den Norden. Und so ist es nun am Nordpol gerade mal so kalt wie in den Städten des Mittagslandes.”

Ónytjungur: “Du treibst üblen Schabernack mit mir.”

Tilvera: “Keineswegs. Es ist aber nichts, worüber du dir Sorgen machen solltest.”

Ónytjungur: “Soso. Glaube, mich daran erinnern zu können, dass ich dich dahingehend nicht um Rat gebeten hatte.”

Tilvera: “Nun, er ist auch kostenfrei. Ich bringe dir frohe Kunde. Ein Heiland ist uns geboren, er trat aus der Bedeutungslosigkeit hervor, von jubelndem Volk empor getragen in den Olymp. Nun sitzet er zu Rechten der Wissenschaftler, und lehrt sie. Es ist endlich das Ende des Zeitalters angebrochen, in welchem renomierte Forscher  ungerechtfertigterweise ihre Forschungsergebnisse aus langjähriger und akribischer Forschung als ermittelte Fakten ausgeben durften.”

Ónytjungur: “Forschung ist Betrug, deren Ergebnisse eine Lüge? Hirngespinste?”

Tilvera: “Nun, es verhält sich so, dass auch das geozentrische System damals besser mit jenem übereinstimmte, was  damals als gesunder Menschenverstand angesehen.”

Ónytjungur: “So ist also den Professoren ein Professor entwachsen, der nun Professor der Professoren?”

Tilvera: “Nicht ganz. Missgünstige Rivalen hatten zu seinem großen Leidwesen nichts unversucht gelassen,  um zu verhindern, dass er zeitlebens sein Genie durch Lehre und Studium erprobe. Und so war er verurteilt, sich mit dem Titel eines Bachelors abspeisen zu lassen, nicht einmal zu einem Masterstudiengang wurde er zugelassen.”

Ónytjungur: “Es kann der Klügste nicht studieren, was arge Missgunst ihm verweigert. Gibt es den Grad eines Bachelors in der Klimaforschung?”

Tilvera: “Nun, der Forschungsbereich, in dem er studierte, war mehr im Bereich Immobilienwirtschaft.”

Ónytjungur: “Dann dürfte er Kenntnisse erworben haben, wie die Häuser in Zukunft zu bauen sind, damit sie den starken Stürmen standhalten, mit denen hier auf Grund des Rückgangs des arktischen Eises gerechnet wird.”

Tilvera: “Nicht ganz. Bei seiner Forschungsarbeit ging es mehr um den Kauf und Verkauf von Immobilien.”

Ónytjungur: “Also darum, mit welcher Methode einer eine Immobilie am besten kauft, solange diese noch intakt ist, …”

Tilvera: “… und mit welcher Methode er sie am gewinnbringendsten verkauft, bevor sie zerstört ist. So ungefähr.”

Ónytjungur: “Und diese Person wurde nun in den Rang eines Professors der Professoren berufen?”

Tilvera: “Nicht ganz. Du kennst ja die Missgunst, die Genies Allerortens entgegenschlägt. Aber es bekümmert ihn nicht.”

Ónytjungur: “Darin zeigt sich wahre Größe.  So ist also über kurz oder lang damit zu rechnen, dass die Berge hier ringsum im Winter nicht mehr schwarze Tränen auf ihr weißes Kleid weinen, und der Winter eines Tages wieder zurückkehrt, so wie ihn die Einheimischen bisher gewohnt waren.”

Tilvera: “Nun, es gibt Verdachtsmomente, die besagen, dass es durchaus ein anderes Ende nehmen könnte.”

Ónytjungur: “Inwiefern?”

Tilvera: “Das Genie schätzt Golfplätze und Luxus-Ressorts.”

Ónytjungur: “Und?”

Tilvera: “Es ist folglich durchaus denkbar, dass seine überwältigende Weisheit dazu führt, dass deine Enkelkinder eines Tages aus diesem Grund nicht mehr im Winter auf die Kanaren zu fliegen brauchen, sondern gleich hier bleiben können.”

Ónytjungur: “Was hat das eine mit dem anderen zu schaffen?”

Tilvera: “Ich erinnere dich daran, dass sein Forschungsbereich der Kauf und Verkauf von Immobilien ist. Ein Luxus-Ressort mit Golfplatz ist eine Immobilie. Hast du schon jemals Golf auf einer Schneedecke gespielt?”

Ónytjungur: “Du weißt, dass ich im Falle, mich überfiele die Langeweile, bereits vollständig damit ausgelastet bin, faustgroße Steine mit meinem rechten Fuß in den See dort drüben zu kicken. Wozu sollte ich mir dann anderes Spielzeug zulegen wollen?”

Tilvera: “Steht dein Stein, den du dein Zuhause nennst, nicht an einem malerischen Plätzchen Erde?”

Ónytjungur: “Schon seit der Landnahme. Unwissende erzählen, hier würden sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Dabei gibt es hier gar keine Hasen, sondern nur Füchse.”

Tilvera: “Dann kann ich dir einen Bericht aus Schottland empfehlen. Aber Vorsicht, es gibt Leute, die behaupten, es würde sich um eine Falschmeldung handeln. Bei jenem, was Deine Augen dort sehen, könnte es sich durchaus auch um eine Fata Morgana handeln. Also um ein Trugbild.”

Ónytjungur: “Ich soll meinen Augen nicht mehr trauen können?”

Tilvera: “Es wurde ex cathedra verkündet. Er ist die Wahrheit und das Licht. Jenseits davon ist seitdem nur noch Lügenpresse, und  der Feind des Volkes möglich.”

Ónytjungur: “Lass mich raten, wer das Volk ist, und wer nicht, weiß er auch.”

Tilvera: “Das lässt sich in solchen Fällen immer leicht feststellen. Wer seine Stiefel leckt, gehört zum Volk, und wer sich weigert, ist der Feind des Volkes.”

Ónytjungur: “Da ist es doch gut, dass wir beide Trolle sind.”

Tilvera: “Was soll daran gut sein?”

Ónytjungur: “Trolle tragen gar keine Stiefel. Und wenn sie etwas lecken, dann nur leckere Eiscreme.”