Pan(nen)demie

Ónytjungur betrachtete am Abend gerade das bunte Treiben unten in der Stadt, als sein Freund  Ferðamaður den Öskjuhlíð heraufkam.

Ónytjungur: Sei willkommen, Ferðamaður. Was gibt es Neues über die wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft zu berichten? Ich hoffe, nur Gutes.“

Ferðamaður: „Wäre nicht erst zu klären, was du mit dem Begriff wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft meinst?“

Ónytjungur: „In der Tat. Soweit mir bekannt, gibt es da jene, in welcher nicht die Ergebnisse zählen, sondern nur Rollen und Privilegien, und solche, in welchen die Rolle nichts zählt, auch keine Privilegien gewährt werden, und nur dem Ergebnis rege Aufmerksamkeit zuteil wird. Auch in der Art der Beschaffung von Informationen ließen sich diese unterscheiden, in jene, welche als Haptiker Erfahrungen aus einer Vielzahl an Büchern schöpfen, vorzugsweise aus Philosophie, Literatur und Wissenschaft, und solche, welche sich lieber in so genannten sozialen Netzwerken tummeln und die Lektüre von Gedichten dahingehend bewerten, dass diese nicht mehr angemessen sei. Du erinnerst dich sicherlich noch an jenen Gast im Restaurant des BSÍ Terminals, der nach Weihnachten aus zwei prall gefüllte Einkaufstaschen nach und nach einen Gedichtband nach dem anderen herausholte, jeden an einer bestimmten Seite aufschlug, die gesamte Fläche des großen Tisches mit all den aufgeschlagenen Gedichtbänden pflasterte, um dann bei einer Tasse kräftigen Kaffees Stunde für Stunde einen Band nach dem anderen heranzuziehen und darin mit Genuss zu schmökern? Weswegen fragst du?“

Ferðamaður: „Ja, er hatte sich entweder in der Bókaflóð eingedeckt oder zahlreiche gute Freunde. Nun, woher ich komme, pflegt man lieber den Hang zum Zweitbuch, gut sichtbar im Wohnzimmerschrank, vorzugsweise Bildbände, Ratgeber oder sonst etwas Repräsentatives. Ich fragte, weil ich mir keinen Reim darauf machen kann, weswegen die Ergebnisse bei zwei unterschiedlichen wissenschaftsbasierten Informationsgesellschaften derart auseinander klaffen.“

Ónytjungur: „Als da wäre?“

Ferðamaður: „Nun, wie du sicherlich bereits erfahren hast, treibt sich gerade weltweit eine infektiöse organische Struktur herum, welcher reihenweise Menschen zum Opfer fallen, also daran sterben.“

Ónytjungur: „Hat sich auch hier oben herumgesprochen. Sind nicht alle wissenschaftsbasierten Informationsgesellschaften gleichermaßen von der infektiösen organischen Struktur betroffen? Ich erinnere mich, dass dort unten diese infektiöse Struktur zuerst entdeckt wurde, als Einheimische aus einem Ort  namens Ischgl krank zurückkehrten, und der Epidemiologe dort unten das Kaff bereits am 5. März darüber informierte. Reim dich oder ich fress dich.“

Ferðamaður: „Wie kommt es dann, dass dort unten die Letalitätsrate bei 0,1 % liegt, trotz einer  Infektionsrate von 45,5 % und anderenorts die Letalitätsrate bei 0,7 % trotz einer geringeren Infektionsrate von nur  21,6 %? Sicherlich hast du hierzu auch einen passender Reim  in deinem Portfolio.“

Ónytjungur: „Nun ja, hier treiben sich nur ungefähr 368.720 poten-tielle Opfer herum, anderenorts geht die Anzahl in mehrere Millionen, wie auch dir bekannt sein dürfte.“

Ferðamaður: „Ist dies dein Reim? Du entpuppst dich als Laubendichter?“

Ónytjungur: „Ich sage nur die Wahrheit.“

Ferðamaður: „Zweifellos, allerdings unterschlägst du dabei wesentliche Eigenschaften, was ich von dir bisher nicht gewohnt.“

Ónytjungur: „Welche wesentlichen Eigenschaften, du Naseweis.“

Ferðamaður: „Zum Beispiel jene, dass es dort unten nur eine Gesundheitsbehörde gibt, welche sich um ungefähr 368.720 potentielle Opfer sowie um die zusätzlich anreisenden Passagiere am internationalen Flughafen Keflavík zu kümmern hat, dort hingegen sich sage und schreibe 376 Gesundheitsbehörden um die Angelegenheit kümmern, im schlimmsten Fall für nur 338.218 potentielle Opfer. Zudem wurden hier alle Einreisenden – Jacke wie Hose,  ob nun geimpft, ungeimpft oder getestet – einem PCR-Test unterzogen, 5 Tage zur Quarantäne in eine kostenlose Unterkunft verwiesen, erhielten nach 5 Stunden das Ergebnis des ersten PCR-Tests und nach 5 Tagen Quarantäne das Ergebnis des zweiten PCR-Tests auch innerhalb von 5 Stunden, erst danach durften alle raus. Welchen Reim machst du dir nun darauf?“

 Ónytjungur: „Möglicherweise sind diesen dort die Hände gebunden …“

Ferðamaður: „Wieder daneben.“

Ónytjungur: „Nun bin ich s, der sich darauf keinen Reim machen kann. Hättest du auch eine Erklärung parat, welche auf vorhandene Plausibilität überprüfbar ist?“

Ferðamaður: „Wäre einen Versuch wert. Wie dir sicherlich bekannt sein dürfte, ist es die Zeit, welche bei einer Pandemie Leben rettet, oder etwa nicht?“

Ónytjungur: „Das ist eine Binsenweisheit, die keinen Wissenszuwachs bringt, da dies dort unten bereits jeder ABC-Schüler kennt. Und?“

Ferðamaður: Wie lange dauert es dort unten, bis die Infektionskette der infektiösen organischen Struktur unterbrochen wird?“

Ónytjungur: „Nun, die Gesundheitsbehörde dort unten hat umgehend selbst eine Warn-App entwickelt und bereits im April 2020 freigegeben. Die Ergebnisse von PCR-Tests wurden bereits spä-testens nach 5 Stunden mitgeteilt, war einer positiv, wurden dessen Kontakte umgehend aus der Warn-App von der Gesundheitsbehörde ausgewertet und gefährdete Kontaktpersonen unmittelbar per Anruf informiert, dass sich diese in Quarantäne zu begeben haben,  …“

 Ferðamaður: „… und erzielten damit eine 7-Tage Inzidenz von Null. Mir bekannt.“

Ónytjungur: „Und anderenorts?“

Ferðamaður: „Die verließen sich auf Antigen-Tests, Schüler mussten eine OP-Maske tragen.“

Ónytjungur: „Ei verbibbsch. Verhält es sich nicht so, dass Antigen-Tests sehr ungenau sind und OP-Masken bei einem Maskenball angebrachter wären?“

Ferðamaður: „Nun, glaubwürdige Quellen berichten, dass ein großer Online-Händler alle seine Mitarbeiter täglich am Eingang jedes Logistikzentrums einem Antigen-Test unterzieht und nur jene in den Betrieb lässt, welche negativ getestet wurden.“  

Ónytjungur: „Eine weise Maßnahme.“

Ferðamaður: „Dumm nur, dass die Anzahl an Mitarbeitern, welche an der Pforte negativ getestet wurden, kurz danach jedoch wegen Symptomen in einem PCR-Test positiv getestet wurden und deren Anzahl zunimmt.“

Ónytjungur: „Coup de théâtre! Taugen die Antigen-Tests nichts?“

Ferðamaður: „Du weißt ja, wo schnelles Geld gemacht werden kann, musst du auf Betrüger und Vetternwirtschaft nicht lange warten. Zudem sind dort die Behörden immer noch dabei, die feilgebotenen Produkte zu testen, um für die gutgläubigen Anwender die Spreu vom Weizen zu trennen.“

Ónytjungur: „Nach zwei Jahren? Da ist es doch gut, dass die geringe Anzahl von Konsumenten hier große Online-Händler nur müde abwinken lässt, da nix zu verdienen wäre, und dass die Bevölkerung dort unten noch über zwei Beine verfügt, alle Anbieter von Produkten ihre Geschäfte folglich nicht zu schließen brauchen. Wieso sind die dort nach zwei Jahren immer noch nicht damit fertig, die Spreu vom Weizen zu trennen? Steckt darin nicht ein sehr großes Gefahrenpotential?“

Ferðamaður: „Þetta er ekki til umræðu. Zudem zöge ich es vor, über jenes, von dem ich weiß, von einem Anderen zu hören. Ich fliege morgen nach Portugal.“ 

Ónytjungur: „Wie kommt’s?

Ferðamaður: „Ich habe Sehnsucht, einen oder eine Fadista zu hören.“

Ónytjungur: „Fado? Sehnsucht nach Liedern über vergangene Zeiten? Sehnsucht nach besseren Zeiten? Unglücklich verliebt?“

Ferðamaður: „Weit gefehlt, das Liedgut umfasst auch Werke zu sozialen Missständen.“

Ónytjungur: „Oder treibt sich dort die infektiöse organische Struktur nicht herum?“

Ferðamaður: „Weit gefehlt. Obschon dort seit Langem mehr als 90 % vollständig geimpft sind, steigt weiterhin kontinuierlich die Infektionsrate und liegt nun bei 33,6 %.“

Ónytjungur: „Nun denn, so sei es meinetwegen. Hast du vorher noch Lust, mit mir ein Lied zu singen?“

Ferðamaður fasste Ónytjungur bei der Hand und beide tanzten einen Reigen um Perlan herum.

(75) Veita hinn
er vætki veit,
margur verður af aurum api.
Maður er auðigur,
annar óauðigur,
skylit þann vítka vár. 1)

(75) Gewähre dem,
der nichts weiß;
oft wird Reichtum nachgeäfft.
Ein Mensch ist reich,
ein anderer arm,
keinem ein Vorwurf
wegen Unglück & Pech.

1) „Hávámál og Völuspa“, Gísli Sigurðsson, Svart á Hvítu, Reykjavik 1986 

Anmerkung: Am 30. März 2022 berichtet DER SPIEGEL:

Das Paul-Ehrlich-Institut hat vielen Antigenschnelltests ein gutes Zeugnis beim Omikronnachweis ausgestellt. Zu Unrecht, meint der Münchner Virologe Oliver Keppler, die Studie sei unzulänglich. Kritik gibt es vor allem an der Stichprobe. Der Münchner Virologe Oliver Keppler hält die günstige Bewertung von Corona-Schnelltests durch das bundeseigene Paul-Ehrlich-Institut (PEI) für falsch. Der Leiter der Virologie an der Münchner Ludwig Maximilians-Universität (LMU) wirft den Studienautoren des PEI vor, dass eine Arbeit, die das PEI in der vergangenen Woche veröffentlicht hat, wissenschaftlichen Standards nicht genüge. Keppler kritisiert unter anderem, dass die Zahl der Proben für eine verlässliche Studie viel zu gering gewesen sei. …

Es wurde eine viel zu kleine Zahl an respiratorischen Proben pro Virusvariante untersucht, nämlich 4, verglichen mit 50 bis 100 in den meisten internationalen Studien“, schreibt Keppler in seiner Bewertung der PEI-Studie. Die PEI-Daten erfüllten wissenschaftliche Mindeststandards nicht und seien daher nicht aussagekräftig.

Für solche Untersuchungen braucht es ausreichend große Probensets, um statistische Vergleichbarkeit zu erzielen“, heißt es in Kepplers Stellungnahme. Darüber hinaus seien weitere Untersuchungen mit in Zellkulturen expandierten Virusvarianten durchgeführt worden, obwohl die klinische Aussagekraft dieser Methode mittlerweile stark bezweifelt werde. „Man hat fast den Eindruck, hier wurde ein »Jugend Forscht«-Projekt durchgeführt.“

Die vielen Alltagsberichte von mehrfach falsch-negativen Antigenschnelltests selbst bei symptomatischen Menschen, bei denen dann erst Tage später per PCR Covid-19 diagnostiziert wird, sollten uns allen zu denken geben“, schrieb Keppler – und kritisierte das PEI scharf: „Für eine mit Millionen durch den Bund geförderte Bundesbehörde, deren genuine Aufgabe und Verantwortung es ist, diese Fragen fundiert und verlässlich für das Pandemiemanagement in unserem Land zu klären, ist dies fast vier Monate nach Erstbeschreibung von Omikronfällen in Deutschland viel zu spät, inhaltlich dünn und in der Aussagekraft fraglich.

Balu im Cafe Hresso

Wenig ist auf Ísland mehr geächtet als Anwendung von Gewalt.

Das völlige Fehlen von Mimikry verbindet sich auf Ísland – bei Individuen wie auch bei der Gemeinschaft insgesamt – mit absoluter Ächtung jeglicher Gewaltanwendung. Wenig verdeutlicht dies mehr, als eine gewaltsame Auseinandersetzung in der Hitze eines mitternächtlichen Pubs, wenn zu Live-Musik tanzend Individuen angetrunken aneinander geraten. 

Eine junge Frau sitzt allein an einem großen Tisch vor ihrem Bier und erwartet erkennbar, dass sie sich heute nicht allein amüsieren sollte. Sie fällt auf in dem Trubel, da die Nachkommen der Elfen und Tröll eigentlich nie alleine, sondern immer wenigstens zu zweit oder gar in kleinen Gruppen von Pub zu Pub ziehen, andere treffen, und in aller Regelmäßigkeit wiederum in kleinsten Gruppen, nun neu gemischt und zusammengesetzt, bald auch wieder den nächsten Pub ansteuern; in ihrem Verhalten irgendwie an Amöben erinnernd, die auf optimalste Art und Weise futterreiche wie futterarme Terrains durchmessen.

Ein stattlicher Bursche in Lederjacke springt in dieses Treiben, springt mit einem weitausholdenden Schritt in den Pub, zieht – für alle Anwesenden bestens sichtbar – auf der Tanzfläche eine spektakuläre One-Man-Show als Little-Travolta ab. Arme kurbeln, Hüfte schwingt, zum Abschluss der Vorstellung der spektakuläre Kniefall. Um sich dann – der Aufmerksamkeit aller Anwesenden gewiss, obschon kein einziger hinsah, da mit Interessanterem beschäftigt – gemessenen Schrittes an die Theke der Bar zu begeben, und nach der Bestellung eines Drinks sich nach alleinstehenden Seelen weiblichen Geschlechts umzusehen.

Die beiden haben sich gefunden. Bei gemeinsamen Cocktails und erotischem Gereibe an der Bar verrenken sich daraufhin beide sichtlich angeheitert lasziv auf der Tanzfläche in ihr Vergnügen. Der Bursche geht, von Erfolg gesättigt, zurück an die Bar, und gefällt sich dort in angeregten Gesprächen mit den Barmädchen, seine frische Eroberung allein vor sich hin wiegend auf der Tanzfläche zurücklassend.

Das ruft Balu den Bär ins Geschehen. Er trennt sich, ebenfalls allein sitzend, von seinem Glas Wasser; und – einer reifen Birne nicht unähnlich, mit verträumtem Gesichtsausdruck eines Balu – schwebt er nun zur Tanzfläche, mit dem gleichen tänzelnden Unterleib wie eben jener Bär, wie ein Gockel, mit seligem Lächeln im Nirwana der Verzückung sich aufhaltend, um mit der Alleingelassenen, von dieser hoch willkommen, in den siebten Himmel von Fred Astaire zu entschweben.

Solcherlei Verhalten war aber mit dem Selbstverständnis der billigen John-Travolta-Imitation nicht vereinbar, die daraufhin ihr Whiskyglas  nahm, sich von den Barmädchen abwandte, zur Tanzfläche schritt, und den Inhalt des Glases der frischen Eroberung über deren langes Haar schüttete.

Schon strömten zielstrebig aus allen vier Ecken des Pubs die in Schwarz gekleideten Türsteher auf den Burschen zu.

Wer sich nun eine zünftige Schlägerei oder wenigstens erregte Wortgefechte erwartet hatte, kam leider nicht auf seine Kosten. Die Türsteher, alle vier von Beruf Polizisten, welche sich Nächtens über einen zweiten Job im Pub durchs Leben bringen, argumentierten mit den sanftesten, freundlichsten Stimmen und gütigsten Gesichtern solange auf deeskalierende Weise mit dem Burschen, bis dessen erregte und angetrunkene Stimme immer leiser wurde, er sich verständig zeigte, und die Polizisten sich mit einem festen Händedruck von ihm verabschieden konnten. Als beim Hinausgehen die Durchnässte ihm in ihrer Frustration noch einen Fußtritt nachschicken wollte, packte sie einer der Türsteher und trug sie wieder zur Bar zurück, statt sie auch des Pubs zu verweisen.

Wenn nun jemand gehofft hatte, Umstehende würden dieses Spektakel von der unfreiwilligen Dusche bis zur Entfernung des Gewalttäters schaulustig begleiten, wurde dieser herb enttäuscht. Nicht ein einziger würdigte diese Szenerie mit einem Blick. Sie hatten ein interessanteres eigenes Leben, um sich an Ungewöhnlichem Aufregung verschaffen zu müssen, gingen sozusagen, wie Isländer es ausdrücken, in ihrer eigenen Spucke, und wollten darüber hinaus dem begießenden Pudel, da er in ihren Augen sein Gesicht verloren hatte, in aller Freundschaftlichkeit die Peinlichkeit wegen Aufmerksamkeit ersparen.

Ein Vergleich mit Gepflogenheiten in Vergnügungsstätten jener Länder, in welchen Feuerriesen hausen, erübrigt sich.

Es ist nachvollziehbar, dass als Ergebnis eines vom Milch-Absatzkartell des Elfenlands unter den Schülern ausgelobten Poesie-Wettbewerbs folgende Zeilen eines Schülers als Erkenntnis herauskamen, welche die Elfenkinder dann morgens auf den Milchkartons täglich beim Frühstück studieren konnten:

Þá
Mér fannst svo gaman
að kvelja hann
og enginn
þorði að klaga mig


Ég sá hann í dag,
hann er frægur.
Ég öfunda hann,
því hvað er ég?
Ekkert! 1)

Übersetzung:

Damals
war ich so glücklich
ihn zu peinigen
und keiner
wagte mich anzuklagen.

Jetzt
sah ich ihn heute,
er ist berühmt.
Ich beneide ihn;
was bin ich?
Nichts!  

1) Autor unbekannt

Einsicht als Bedürfnis

Lljósmynd:  © Ragnar Ómarsson

Die Trolle Grúskari und Kjaftaskúmur liegen unweit von Hnifsdalur auf dem Dach eines Kofi und betrachten das Polarlicht, welches ein rotes Kleid angezogen hat.

 Kjaftaskúmur: „Gibt es Neues von Ónytjungur?“

Grúskari: „Wie du weißt, leidet er immer noch unter dem Malheur, bei seiner Geburt nicht unter Unseresgleichen aufwachsen zu dürfen, da er flugs einer Familie als Wechselbalg  untergeschoben wurde.  Vermutlich befindet er sich noch in der imaginalen Welt, wo Geistiges verkörperlicht und Körperliches vergeistigt wird.“

Kjaftaskúmur: „Daher wohl auch sein übersteigertes Interesse an fremdartigen Kulturkreisen, steckt er doch ständig seine Nase in Angelegenheiten, welche ihn eigentlich nichts angingen.“

Grúskari: „Nun, er ist davon getrieben, auf seinen Reisen endlich vertrauenswürdige Zusammenhänge zu entdecken, da er immer noch einer erklärenden Orientierung  entbehre …“

Kjaftaskúmur: „Wie kommt‘s? Die Welt erfreut sich da draußen geradezu an einer wahren Sintflut an Orientierungshilfen, wird regelrecht hiervon überschwemmt, und bestünde diese Sintflut nicht aus Worten, sondern aus Wasser, keine Arche wäre groß genug, um sich vor ihr in Sicherheit zu bringen.“

Grúskari: „Er ist wohl aus Erfahrungen heraus zu der Ansicht gelangt, dass er einer anderen Erklärungsebene bedarf, da ihm die vorhandenen Erklärungsebenen zu viele Widersprüchlichkeiten enthielten.“

Kjaftaskúmur: „Widersprüchlichkeiten? Meint er Unstimmigkeiten?“

Grúskari: „Unstimmigkeiten ließen sich beseitigen. Wohl  eher Unvereinbarkeiten.“

Kjaftaskúmur: „Wozu gibt es Lehrer? Diese sind studiert und wissen sich in der Kunst, Unvereinbarkeiten auflösen zu können, gut zu helfen.“

Grúskari: „In der Tat. Er war auch sehr wissbegierig und konnte damals den ersten Schultag kaum erwarten, solange, bis ihm die Lehrerin am zweiten Schultag mitteilte, dass er eine Missgeburt sei, ihm mit einem Rohrstock ständig auf die Finger schlug, seine Zieheltern einbestellte und diesen dringend auftrug, sie sollten bei den Hausaufgaben seinen linken Arm auf den Rücken binden, damit er endlich mit der rechten Hand schreibe.“

Kjaftaskúmur: „Nun, es gab sicherlich pädagogische Gründe für diese Maßnahme, sonst hätten die Kultusministerien diese nicht angeordnet. Für was gibt es Geistliche, welche darin geschult wurden, sich um hilfsbedürftige Seelen zu kümmern und den Verzagten Trost zu spenden.

Grúskari: „Welche meinst du? Jene, welche bei einer Zeremonie Panzer und Haubitzen segnen und es noch nicht einmal zustande bringen, untereinander sich einig darin zu sein, ob die ein und dieselben Person jüdischen Glaubens sei oder nicht, Christ sei oder nicht,  Moslem sei oder nicht?“

Kjaftaskúmur: „Nun gut, er hätte sich als offenbarte Missgeburt auch an einen Arzt wenden können,  damit seine Plage ein Ende finde.“

Grúskari: „Er hatte begründete Zweifel, dass dieser geeignet gewesen wäre, ihn von seiner schweren Last zu befreien, denn seiner Erfahrung nach war wohl eher dessen Gegenteil zu erwarten. War er  doch jahrelang Augenzeuge, wie Eltern aufgetragen wurde,  den Köper ihres kleines Kindes jahrelang jede Nacht in eine Gipsform zu schnallen, in welchem dann das Kind gezwungen war, jede Nacht mit gestreckten Armen und Beinen auf dem Rücken zu liegen, da beide Arme und Beine mit einem Band an der Gipsform zu fixieren waren. Da wäre doch ein auf den Rücken gebundener Arm wohl das kleinere Übel, oder etwa nicht?“

Kjaftaskúmur: „Dumm gelaufen. Und was wäre dann seiner Ansicht nach eine Erklärungsebene, welche solcherart Unvereinbarkeiten beseitigen könne? Handelt es sich bei ihm dann nicht vielmehr um eine abhängige Kreatur, da er immer noch an seinen kindischen Wunden hängt, diese liebevoll leckt, statt sich bei allseits anerkannten Koryphäen hilfreichen Rat zu holen, welcher geeignet wäre, die von ihm als Unvereinbarkeiten  wahrgenommenen Sachverhalte in Luft aufzulösen?“

Grúskari: „Führt dies nicht zu so etwas wie einer griechische Tragödie? Damals wurde der Chorführer als Koryphäe bezeichnet, nun wird diese Titulierung solchen Personen zuteil, welche durch außergewöhnliche Leistungen hervorstachen, also Autoritäten und Sachkundige eines bestimmten Sachgebiets.“

Kjaftaskúmur: „Wieso sollte es in eine Art von griechischer Tragödie enden, wolle sich einer in die Hände von Experten begeben?“

Grúskari: „Du willst mir hier nicht allen Ernstes erzählen, dass jener Lehrer, Pfarrer und Arzt nicht genau dies taten, oder glaubst du etwa, deren Handlungen wären auf deren eigenem Mist gewachsen?“

Kjaftaskúmur: „Nun, die Zeiten ändern sich“.

Grúskari: „Was hat die Zeit damit zu schaffen? Sind es nicht vielmehr die Ideen, welche sich mit der Zeit ändern?“

Kjaftaskúmur: „Nun, die Schwarmintelligenz wird schon dazu führen, dass sich die besten Ideen durchsetzen werden.“

Grúskari: „Du meinst jenes Gebaren, welches dazu führte, dass in Afrika und Nordamerika ganze Völker  abgeschlachtet wurden, nur weil diese nicht bereit waren, den Preis für die Früchte solcher Ideen zu bezahlen?“

Kjaftaskúmur: „Nun, es ist ja noch nicht aller Tage Abend.“

Grúskari: „Was die Frage aufwerfe, wie lange eine Hoffnung aufrechterhalten werden könne, ohne dass diese erfüllt werde. Verhält es sich doch so, dass der Inhalt der Wahrnehmung und der Sinnesorgane sich in einer  kontinuierlichen Änderung befinden,  also einem ständigen Veränderungsprozess unterworfen sind.“

Kjaftaskúmur: „Will sagen?“

Grúskari: „Dass im Falle, es ist vorher in der Vernunft kein allgemeines Wissen vorhanden, es dann  auch nicht möglich sei, konkrete Sinneswahrnehmungen ins Allgemeine, ins Abstrakte, in Ideen umzuwandeln.“

Kjaftaskúmur: „Welcher Art könne dieses Wissen sein“? Erworben durch die Fähigkeit  des Übergangs vom Einzelnen zum Allgemeinen? Gibt es doch zwei Methoden der Behandlung. Die eine ist die analytische Methode, die andere ist die zusammensetzende Methode. Die analytische Methode beschränkt sich auf Funktionen und Eigenschaften, die zusammensetzende Methode auf die Eigenschaften der Funktionen und deren Ordnung.“

Grúskari: „ Nun, wäre hierzu nicht die Denkmethode laterales Denken vonnöten, um gegebene Pauschalisierungen als solche erkennen zu können, wie auch den Unterschied zwischen Pauschalisierung und Generalisierung?“

Kjaftaskúmur: „Nun, Pauschalisierungen sind bekanntlich  Ergebnisse von Dumpfbacken für Dumpfbacken, das Recht auf Meinungsfreiheit in Anspruch nehmend, allerdings mit der Einstellung betrieben, Argumente und Widerlegungen als schädlich einzustufen. Soweit mir bekannt, wendet im Gegensatz hierzu die Generalisierung analytische und zusammensetzende Methode an, von konkreten Beobachtungen ausgehend zu einer Abstraktion, indem die ermittelten Eigenschaften säuberlich getrennt einem Träger zugeordnet werden.“

Grúskari: „Was allerding vergeblich wäre.“

Kjaftaskúmur: „Wie meinen?“

Grúskari: „Nun, gesetzt den Fall, es entstünde hieraus ein wohldefinierter Begriff, so wäre damit keineswegs sichergestellt, dass alle unter dem Begriff sich jenes vorstellten, was der Begriff aussage.“

Kjaftaskúmur: „Wie kommts?“

Grúskari: „Nun, soweit bekannt, werden manche Begriffe durch Wesen dort im Tal durch Selbstbezeichnungen aus primitiven Beweggründen heraus einfach okkupiert, was einen Bedeutungswandel im Sinne einer Bedeutungsverschlechterung nach sich ziehe, der Begriff daher nicht mehr verwendbar wäre, sei er auch noch so durch saubere Generalisierung entstanden.“

Kjaftaskúmur: „Beispiel?“

Grúskari: „Der Begriff Querdenker.“

Kjaftaskúmur: „ Was wäre zu tun, um diesem Unfug eine Ende zu setzen?“

Grúskari: „ Woher kann ich das wissen? Ich bin weder Generalist noch Spezialist. Verhält es sich nicht so, dass der Generalist von immer mehr immer weniger weiß, bis er von Allem nichts mehr weiß, und der Spezialist von immer weniger immer mehr weiß, bis dass er von Nichts alles weiß?  Willst du mit mir ein Lied singen?“

Der Troll Grúskari ergreift die Hand von Kjaftaskúmur und beide tanzen singend einen Reigen.

(05) Vits er þörf
þeim er víða ratar.
Dælt er heima hvað.
Að augabragði verður
sá er ekki kann
og með notrum situr.
1)

(05) Einsicht als Bedürfnis
wer vielerorts den eigenen Weg findet.
Leicht ist es nur zuhause.
Dem werden  die Augen mit Spott geöffnet,
der ohne Wissen ist
und bei Weisen sitzt.

1) Anm.: Vers 5, „Hávámál og Völuspa“, Gísli Sigurðsson, Svart á Hvítu, Reykjavik 1986

Wie die Zukunft, schwarz und bitter?

Lljósmynd:  © Bernhild Vögel

Die isländische Sprache kennt zwei Verben für das deutsche Wort „schreiben“: „skrifa“ und „kvitta“. Intelligentere  Zungen behaupten, das Verb „skrifa“ solle nur  für die Herstellung literarischer Werke angewendet werden, für alles weitere genüge auch das Verb „kvitta“.

Im Jahr 1986, als überÍsland noch bei  „Völker draußen in der großen Welt … die meisten meinten, es sei von Eskimos bewohnt, die sich von Läusen ernährten“ und „es sich nur wenige leisten können, zwischen den Landesteilen hin und her zu rasen, mit Fahrrad auf dem Auto und Boot auf dem Wohnanhängerdach, ein so häufiger Anblick auf deutschen Straßen, wenn es hinaus ‚in die Natur‘ geht“-  um es mit den Worten von Guðbergur Bergsson auszudrücken -,  lag in der Buchhandlung Eymundsson der Band 3/1986, Ausgabe 143 von „die horen“ zu isländischer Nachkriegsliteratur, Kunst und Kultur, mit dem Titel „Wenn das Eisherz schlägt“, herausgegeben von Franz Gíslason, Sigurður A. Magnússon und Wolfgang Schiffer.

Dem Dichter Siguðrur Pálsson in seinem Gedicht „Auf der Straße des Gedichts“ folgend, war es damit möglich, isländische Dichtkunst der Gegenwart auch in deutscher Übersetzung zu lesen. Erfreulicherweise haben gute Gedichte kein Verfallsdatum, da zeitlos.  

Da weder Dichter noch Literat, möge daher für diese Bekanntmachung die Tätigkeit „kvitta“ angewendet werden:

Es mag sein, dass manche Leser Gedichtbände wie einen Maßkrug auf ex hinunterspülen. Eine angemessene Annäherung wäre allerdings, Gedichte wie einen guten roten Tropfen aus Barrique-Lagerung zu genießen, Schlückchen für Schlückchen schlürfend, mit viel Sauerstoff vermischt und mit Pausen dazwischen, um den Schluck im Abgang voll wirken zu lassen. Bei manchen Gedichten bleibt der Nachklang ein Leben lang,  so wie auch bei dem Gedichtband „Dass die Erde einen Buckel werfe“, Gedichte von Wolfgang Schiffer in deutscher Sprache, erhältlich am 21. Februar 2022 im deutschen Buchhandel, herausgegeben vom ELIF-Verlag. 1)

Nun, der Genuss gelänge sicherlich auch ohne Alkohol, zum Beispiel bei einer Kanne Kaffee. Ein Getränk, welches auf Ísland in jener Zeit, als noch kein Alkohol in den Restaurants und Cafes ausgeschenkt wurde, in 1 Literkannen serviert wurde. Demnach in jener Zeit, als auch noch keiner fragte, wie man denn den Kaffee wünsche. Heutzutage, wo die diversen möglichen Varianten mit der Anzahl an Varianten zu wohlfeilem Hunde- und Katzenfutter konkurrieren, mag der  Gourmet auf jene Art und Weise antworten, welche „smart Icelandic“ genannt wird : „Wie die Zukunft, schwarz und bitter.“

Nur soviel: Solange es Gedichte gibt, gibt es auch Anlass zur Hoffnung, dass die Zukunft nicht schwarz und bitter werde.  Es wäre daher zu wünschen, dass eines Tages das Gedicht „Lamento und Eingeständnis“ des Dichters Wolfgang Schiffer als öffentlicher „Sprechakt“ (Manifest) von allen Lesern unterzeichnet werden könne, mit dem Versprechen, von nun an damit zu beginnen, diesem Irrsinn abzuschwören und im Sinne des Verfassers durch Taten und Unterlassungen die Welt endlich in eine Lebenswertere aktiv zu verändern.

Bleibt noch zu wünschen, dass alle Gedichte des Dichters Wolfgang Schiffer eines Tages auch in isländischer Übersetzung erhältlich sind, und dass er fortsetzen möge, indem er noch weitere Gedichte hinzufüge; dass seine Hände weiterhin um seine Gunst buhlen, um es mit den Worten des Dichters Werner Friebel auszudrücken:

Die Hände buhlen um meine Gunst

Fleißig zieht die Rechte
Tintenbahnen über’s Blatt:
Hüpft unterwürfig dienstbereit,
meinen Gedanken Form zu geben;

derweil die Linke ruht
und katzenartig eingerollt
den Augenblick erschnurrt,
meinem Mund den Wein zu reichen.

1) „Dass die Erde einen Buckel werfe“. Gedichte, ELIF Verlag, Nettetal 2022, ISBN 978-3-946989-43-1

Gesetzt den Fall, es gebe …, dann …

Lljósmynd:  © Kári Þór Jóhannsson, Fiskbúð Sjávarfangs

Ónytjungur: „Verhält es sich nicht so, dass die Vorstellungskraft die Formen der  Sinneswahrnehmungen auch dann bewahre, wenn diese nicht mehr existieren?“

Lesandi: „Ich wüsste nicht, was dagegen spräche.“

Ónytjungur: „Und könnte es sein, dass die Tätigkeit des Zusammenfügens dieser Formen und ihrer Unterscheidung voneinander zu denjenigen Fähigkeiten gehört, die nicht zur Vorstellungskraft selbst gehören?“

Lesandi: „Vermutlich. Durch diese Tätigkeit kann einer sich bekanntlich auch vorgestellte Dinge erdenken, die unrealistisch sind, wie im Traum oder in den Träumen des Wachseins.“

Ónytjungur: „Gut. Nennen wir vorerst jene Instanz, welche diese Tätigkeit ausübt, die Kombinierende. Könnte es sein, dass  diese Fähigkeit  in ihrer Tätigkeit mit dem Gedächtnis verbunden ist?“

Lesandi: „Nun, wie sonst könne einer sich die Wahrnehmungen erneut vor Augen führen, stammten diese nun von den äußeren Sinnesorganen oder von den inneren Fähigkeiten wie Phantasie oder der  Kombinierenden. Wozu fragst Du?“

Ónytjungur: „Somit wäre es bei einem, welcher sowohl zu Sinneswahrnehmungen fähig,  als auch über Vorstellungskraft verfüge, für die Kombinierende durchaus eine Möglichkeit, fragte diese nach dem ‚Was wäre wenn‘?“

Lesandi: „Mit anderen Worten ‚Gesetzt den Fall, dass …‘ ? Nun, es war davon zu hören, dass der gegenwärtige isländische Staatspräsident  Guðni Th. Jóhannesson vor seiner Präsidentschaft Dozent an der Universität Ísland war. Ein Gegenstand seiner Forschungstätigkeit sei zum Beispiel die Methode  “Efsaga” (“Was wäre wenn”)  gewesen, an der Universität Reykjavík, Fakultät für Geschichte und Philosophie. Du willst mir gegenüber hoffentlich nicht behaupten, Du könntest dazu etwas Sinnvolles beitragen.“

Ónytjungur: „Wirke ich auf Dich, als würde ich unter Größenwahn leiden? Nein, ich würde diese Methode als Laie nur zu gerne einmal selbst anwenden. Ich hatte hierzu äußere Sinneswahrnehmungen aus dem Gedächtnis entnommen, womit sich dann die  Kombinierende zu beschäftigen hatte. Da ich – wie Du weißt – nur dazu fähig bin, etwas mehr oder weniger klar zu beschreiben,  wird es wohl das Beste sein, ich rufe die Fragestellung aus meiner Erinnerung zurück:               

 ‚Einmal angenommen, dass einer Lehre gefolgt werden könne oder nicht, also diese praktiziert werde oder nicht, so ist festzustellen, dass durch diese Lehre, da gelehrt, Festsetzungen der Art getroffen wurden, welche das, was sich innerhalb der Lehre befinde, von dem abgrenze, was außerhalb der Lehre sich befände.
Wie wäre dann eine Lehre beschaffen, zu welcher sich nichts außerhalb ihrer selbst etwas feststellen ließe, da alles innerhalb?
Wäre diese nicht eine Lehre, deren Eigenschaften aussagten, dass diese nicht gelehrt werden kann, und daher nur praktiziert werden könne?
Würde dies nicht auch bedingen, dass es nur eine einzige solche Lehre geben könne, und diese längst von allen praktiziert wird?
Denn gäbe es deren mehrere, worin könnten sich diese schon unterscheiden, da keine von ihnen gelehrt?
Und da nicht gelehrt, was könne da die Feststellung begründen, es gäbe auch nur einen Einzigen, der sie nicht praktizierte?
Wäre dann, aus dieser Sicht, erstens diese Lehre nicht eine Lehre von der Einheit, und daher per se einzigartig, und zweitens die Wege des Wissens so zahlreich wie die Anzahl der bisherigen Menschen?
Und wäre dies dann nicht auch der einzige Punkt, in welchem die Vielfalt dieser Lehre sich doktrinär ausdrückte?‘

Untersuche ich nun – ausgehend von der Annahme – die Folge daraus resultierender Ableitungen auf deren Gültigkeit, so entdecke ich darin nur vernünftige Schlussfolgerungen. Bin ich auf dem Holzweg?“

Lesandi: „Woher soll ich das wissen. Wie Du weißt, ist das Auge der Zufriedenheit für jeglichen Mangel zu schwach, so wie das Auge der Unzufriedenheit die schlechten Dinge ans Licht bringt.“

Eine Frage, auf die es keine Antwort gibt

Lljósmynd:  © Kári Þór Jóhannsson, Fiskbúð Sjávarfangs

Ein Reisender begleitete seinen Sohn zum Flughafen. Der Fahrgast neben ihm – dieser war dem Ornat nach ein Ordensbruder und seiner Aussage zufolge als Missionar nach Kasachstan unterwegs, um neue Schäfchen durch Almosen zu gewinnen, ergriff die Gelegenheit, dem Vater-Sohn-Gespräch mit hilfreichen Sätzen beizuwohnen. Zu guter Letzt stellte er die Gretchenfrage: „Bist du ein Christ?“

Worauf der Vater antwortete:

„Du stellst eine Frage, auf die es keine Antwort gibt. Denn stelltest Du die Frage über mich dem Einen, so antwortete dieser mit ‚Ja‘. Und stelltest Du dieselbe Frage über mich einem Anderen, so antwortete dieser mit ‚Nein‘.

Der Grund ist darin zu finden, dass beide Lügner sind. Denn die Antwort kennt nur die Letztbegründung allein, und diese antwortet niemandem.

Du hättest mich auch fragen können, ob ich Moslem oder jüdischen Glaubens bin. Die Antwort hätte nur dieselbe sein können.“

Dann hielt der Zug am Flughafen.

Der richtige Weg? Immer der Nase nach!

Auf die Frage nach dem Weg zur besten Küche gibt es nur eine richtige Antwort, um spätere Beschwerden möglichst zu vermeiden: „Immer der Nase nach!“

Abseits jener Politik, welche keine intelligentere Lösung entwickelte, als dem Staatsvolk ums Maul zu gehen oder ihm Angst einzuflößen (worunter Íslands intelligentere Maßnahmen nicht zu zählen sind), also zwischen Zuckerbrot und Peitsche zu schwanken (2G-Regel und Berufsverbot für Ungeimpfte), bemühen sich kompetente Wissenschaftler schon seit Beginn der Pandemie, das Covid-19 Virus exakt dort zu zerstören, wo es bei seinem mörderischen Werk ansetzt: in der Nase.

Auf Ísland gibt es daher in allen Apotheken bereits seit langem das Nasenspray Viruxal, welches in Testreihen in-vitro 99,97 % der Viren bereits in der Nase zerstört; von dem Pharmaunternehmen Kerecis entwickelt, welches sich weltweit bereits einen besten Ruf in den Kliniken der Welt dadurch erwarb, indem es ein Wundpflaster bereitstellte, das erfolgreich bei schwersten Verletzungen eingesetzt werden konnte. Dem Vernehmen nach soll dieses Wundpflaster aus der Haut des Kabeljau gewonnen werden, einem Abfallprodukt der Fischverarbeitung. Sollte dem so sein, wäre damit isländischen Wissenschaftlern gelungen, aus jenem, was vormals als Abfallprodukt gewertet, die letzte Rettung für Schwerstverletzte entwickelt zu haben. War nicht nach dem Wunsch von Alfred Nobel der Nobelpreis für Medizin an jene zu verleihen, welche mit ihrer Entdeckung auf dem Gebiet der Biologie und Biochemie den größten Nutzen für die Menschheit erbracht haben?

Lljósmynd:  © Bernhild Vögel

Nun veröffentlichte das französische Magazin „ouest france“ am 01.02.2022 einen Artikel von Pauline Bourdet, dass darüber hinaus Anfang 2023 auch noch klinische Studien zu einem  nasalen Impfstoff beginnen sollen: „Covid-19. Vaccin nasal 100% français : des essais cliniques « début 2023 » pour un lancement en 2024“.

Wir haben uns bemüht, den Artikel für deutsche Redaktionen und geneigte Leser einigermaßen ins Deutsche zu übersetzen:

Covid19. 100 % französischer nasaler Impfstoff: klinische Studien „Anfang 2023“ für den Start im Jahr 2024

Weltweit werden fast 300 Impfstoffe gegen Covid-19 entwickelt. Alle per Injektion, mit Ausnahme von etwa zwanzig von ihnen, die an einer „nasalen“ Lösung arbeiten.

Diese in Schweden, England, China, Frankreich und den Vereinigten Staaten untersuchte Strategie hätte viele Vorteile, indem sie das Virus an seinem Eintrittspunkt, der Nase, angreift und so seine Ausbreitung im Körper verhindert. Es könnte auch ergänzend zu laufenden Impfkampagnen oder als Erstimpfung eingesetzt werden.

In Frankreich hat sich eine gemeinsame Einheit des Institut Pasteur-TheraVectys und ein Forscherteam der Universität Tours und Inrae (Nationales Forschungsinstitut für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt) mit dieser Frage befasst. Update zu diesem Projekt mit Isabelle Dimier-Poisson, Mitbegründerin des Start-ups LoValTech, verantwortlich für die Entwicklung und Nutzung dieses 100 % französischen nasalen Impfstoffs.

Was sind die Vorteile einer nasalen Impfung?

Injektionsimpfstoffe lösen eine systemweite Immunantwort aus und kontrollieren schwere Formen der Krankheit. Diese Immunität konzentriert sich jedoch nicht auf Mund und Nase, was beispielsweise die Kontamination oder den Geschmacksverlust bei geimpften Personen erklärt. Im Fall von Covid-19 ist die Haupteintrittspforte für das Virus die Nase, wo die Schleimhäute über eine eigene Immunabwehr verfügen. Letztere entwickeln – auf die Probe gestellt – eigene Antikörper, die lokal auf die in Nase, Magen und Lunge vorhandenen Schleimhäute wirken. Der nasale Impfstoff wird es daher ermöglichen, das Virus von seinem Ankerpunkt aus zu bekämpfen und so eine Ansteckung zu verhindern.

Derzeit schützt der Impfstoff vor schweren Formen von Covid-19. Aber wenn wir infiziert sind, wird sich das Virus in der Nase vermehren und wir werden es auf die Menschen um uns herum übertragen“, betont Isabelle Dimier-Poisson, Forschungsdirektorin, Leiterin des BioMap Inrae-University of Tours-Teams und Mitbegründerin des Starts – LoValTech.  „Mit unserem Impfstoff stoppt die Immunantwort der Nasenhöhle das Virus sofort. Wir werden vor schweren Formen geschützt, da das Virus nicht in die Lunge gelangt, aber vor allem haben wir keine Möglichkeit, das Virus zu übertragen. Und wenn es uns gelingt, die Vermehrung und Verbreitung des Virus zu verhindern, könnten wir das Auftreten neuer Varianten stoppen.

Wie wirkt dieser Impfstoff?

Momentan arbeitet das Institut an einer Vermarktung für Ende 2023, Anfang 2024. Bis zu diesem Horizont lassen sich die Varianten nicht vorhersehen. Um das Problem zu beheben, setzt BioMap auf Proteine: das Spike-Protein, das in allen derzeit vermarkteten Impfstoffen vorhanden ist, aber auch stabilere virale Proteine.

„Dies ist ein Mehrwert des Impfstoffs, der es ermöglicht, universell und multifunktional für die derzeit im Umlauf befindlichen Varianten und für zukünftige, noch nicht existierende Varianten zu sein“, fügt der Forschungsleiter hinzu. Biokompatibel, biologisch abbaubar, biologisch eliminierbar, wird dieser Impfstoff daher auch bei Kindern anwendbar sein.

Der Impfstoff wird zweimal im Abstand von drei Wochen von medizinischem Fachpersonal nasal verabreicht. Das Gerät, eine Art “optimiertes Spray”, gibt eine genau dosierte Flüssigkeit in Form von Mikrotröpfchen ab, die alle Nasenhöhlen umhüllen. Die Verabreichung erfolgt am Eingang der Nasenlöcher ohne Penetration, wodurch dieser Impfstoff viel weniger invasiv ist als derzeitige Tests.

Abschließende Tests an Mäusen

An der Yale University (USA) hat ein Team bereits gezeigt, dass die intranasale Impfung im Gegensatz zur Impfung durch Injektion einen erweiterten Schutz gegen ein ganzes Spektrum von Atemwegsviren bietet. Die Forscher testeten einen proteinbasierten Impfstoff an Mäusen durch Injektionen und intranasal, bevor sie sie mehreren Influenzavirusstämmen aussetzten. Mäuse, die intranasal geimpft wurden, waren viel besser geschützt als Mäuse, die durch Injektion geimpft wurden.

In Frankreich waren die ersten Tests des LoValTech-Impfstoffs an Mäusen schlüssig. „Geimpfte und infizierte Tiere sterben nicht, zeigen keine klinischen Anzeichen, was uns sagen lässt, dass unser Impfstoff genauso gut wirkt wie aktuelle Impfstoffe. Umgekehrt wiesen infizierte und ungeimpfte Tiere hohe Mengen an viraler RNA in den Lungen und Nasenhöhlen auf.“

Für wen ist dieser nasale Impfstoff bestimmt?

Dieser 100 % französische Impfstoff, der zwischen Tours, Toulouse, Saint-Malo und Monts entworfen, entwickelt und getestet wurde, könnte mehrere Arten von Bevölkerungsgruppen betreffen: In Ländern wie Frankreich, in denen die Impfrate zufriedenstellend ist, würde er als “Schleimhaut” dienen, die Immunantwort und die Übertragung des Virus verhindern.

In Ländern mit geringer Durchimpfungsrate könnte sie als Grundimmunisierung eingesetzt werden und vor schweren und mittelschweren Formen schützen. „Leider haben viele Länder keinen Zugang zu Impfungen: Heute ist weltweit nur jeder Zweite geimpft“, erinnert sich Isabelle Dimier-Poisson. „Wir müssen eine globale Reflexion haben, indem wir dafür sorgen, dass das Virus nicht mehr zirkuliert.”

Auf dem Weg zu einem 100 % französischen Impfstoff

Inrae ist seit Juni 2020 im Rennen und gab am 20. Januar 2022 die Gründung eines Start-ups bekannt, das für die Entwicklung und den Betrieb seiner Lösung verantwortlich ist: LoValtech. Dieses Unternehmen besitzt die exklusive Lizenz zur weltweiten Nutzung des Patents und will das Projekt von den verschiedenen Entwicklungsphasen bis hin zu Versuchen am Menschen steuern.

Für die Entwicklungsphase hat das Forschungsteam bereits Unterstützung in Höhe von 50.000 € von der nationalen Forschungsagentur (ANR) und der Region Centre-Val-de-Loire erhalten. Dann ein Umschlag von 2,4 Millionen Euro, finanziert vom Ministerium für Hochschulbildung, Forschung und Innovation und der Universität Tours.

LoValtech muss noch die fehlenden drei Millionen Euro aufbringen, um klinische Chargen zur Verabreichung an Menschen herzustellen. Dann folgen die verschiedenen Phasen klinischer Studien mit einer wachsenden Zahl von Freiwilligen, die es ermöglichen, die Sicherheit, die Immunantwort und die Wirksamkeit eines Impfstoffs zu bewerten. „Für Phase I und II braucht es 30 Millionen Euro, dann zehnmal mehr für Phase III …“ „Erhebliche“ Summen, betont der Mitgründer des Start-ups, für das LoValtech Gelder aufbringen muss, wenn es denn geht, will es seinen Impfstoff Ende 2023, Anfang 2024 vermarkten.

Anmerkung: Statistik zur gegenwärtigen Situation

Die Krux mit der Grammatik

Es steht wohl mittlerweile außer Zweifel, dass sich alle Lebewesen stets auf die eine oder andere Weise unterhielten. Der Fortschritt der Untersuchungen ist bereits weit fortgeschritten und es liegen nun auch Berichte namhafter  Wissenschaftler  vor, welche die Kommunikation auch bei  Walen, Tintenfischen, etc. nachweisen.

Es wurde auch längst festgestellt, dass Lebewesen Zeichen nichtverbaler Form zur Kommunikation entwickelten, zum Beispiel die nicht übersehbaren  Markierungen der Gattung Hund, mit welchen diese ihr Revier markieren.  Doch es ist nicht nur die Gattung Hund, welche mit nonverbalen Zeichen kommuniziert und es fanden sich bei anderen Tiergattungen bereits fortschrittlichere Formen als jene, einfach ein Bein zu heben.

Auch das Ereignis, dass Gattungen in Verbänden zur Zusammenarbeit neigen, um Probleme zu lösen, welche sie als einzelnes Individuum nicht lösen könnten, ist hinlänglich bekannt, vom Wolfsrudel bis zu den Orcas, welchen es erst gemeinsam gelingt, eine auf eine Eisscholle geflüchtet Robbe wieder herunter zu schubsen.

So ist es nicht verwunderlich, dass auch die Gattung Homo sapiens eines Tages die Idee entwickelte, ihre verbale Kommunikation, also die Laute, auf Schriftzeichen zu übertragen, sich darüber zu einigen, welches Schriftzeichen welchem Laut entspreche und welche Zusammensetzung von Schriftzeichen welche Bedeutung habe, womit die Wiege sowohl für Information, als auch für Poesie und Meinungsfreiheit gelegt.

Jedoch ist auch für jedermann  nachvollziehbar, dass Worte alleine nicht genügen, um eine Aussage zu formen, solcherart Zusammenrottungen einmal ausgenommen, welche im übelsten Fall nur das Wort „Feuer!“ benötigen, um mitzuteilen, dass dieser Mensch da nun exekutiert werden solle, oder auf der anderen Seite jene Bergsteiger, welche beim Klettern in den Bergen „Egon!“ rufen, um den Kletterkameraden vor Steinschlag zu warnen.

Was notgedrungen dazu führte, eine Vereinbarung dahingehend zu treffen, dass auch Zusammenhänge mitgeteilt werden können, womit auch die Geburtsstunde der Grammatik geschlagen hatte.

Sollte es jemals so etwas wie eine „Schwarmintelligenz“ gegeben haben, dürfte diese wohl in den  Ausgestaltungen der diversen Grammatiken der unterschiedlichsten Gemeinschaften liegen, welche sich damals vermutlich auch nicht über die hierzu erforderliche Konstruktion dieser oder jener Grammatik austauschten, da voneinander nichts wissend. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass diese vom Interesse geleitet war, welche Zusammenhänge denn nun von allgemeinem Interesse wären und welche nicht. Im Groben ließe sich dazu feststellen, dass über alle Völker mehr oder weniger ein Interesse daran vorhanden war, Fragen von Antworten zu unterscheiden, zeitliche Abfolgen darzustellen, den Objekten Eigenschaften zuordnen, Schlussfolgerungen aufstellen zu können, und was da noch so an gemeinsamem Interesse mehr vorhanden.

Bei all diesen Konstruktionen stolperte man mehr oder weniger genussvoll über den sogenannten „Genus“, will sagen „Gattung“ oder „Geschlecht“, so als ob „Gattung“ und „Geschlecht“ synonym wäre. Naja, die Griechen vermutlich mal wieder.  Nun wäre dieser winzig kleine Partikel in den diversen Grammatiken keineswegs erwähnenswert, da die meisten der seitdem „maskulin“ und „feminin“ genannten Wörter ohnehin gar kein biologisches Geschlecht aufweisen – oder kenne da womöglich doch einer das Geschlecht von Stein und Erde -, in einigen  Genus-Systemen die Zuordnung der Genera zu den Substantiven sogar gleich vollständig unerheblich war  und daher zum Beispiel mit dem Füllsel „the“ ausgefüllt  wurde, aber – was soll‘s.

Die kyrillische Schrift verzichtete gleich vollständig auf den Artikel und löste das Problem, indem der letzte Buchstabe eines Nomens den Genus bestimme: war es ein Konsonant, dann war das Objekt maskulin, war es der Vokal „a“, dann war es der Genus „feminin“. Das heißt, nicht vollständig: So wird der Kompaniefeldwebel im Russischen „старшйиа“ („starschina“ mit scharfem „s“ zu Beginn, stimmhaften „sch“ in der Mitte und Betonung in der letzten Silbe mit „a“) genannt, allerdings trägt dieser auch den Titel „Mutter der Kompanie“.

Im Deutschen wurde noch das Neutrum hinzugenommen, allerdings auch nicht unbedingt sehr konsequent. Dem Frosch wurde der maskuline Genus zugewiesen (vermutlich handelt es sich seitdem bei dem lauten nächtlichen  Quaken um den Protest der Fröschinnen) , die Schwalbe wurde feminin (seltsam, hat sich schon eine Schwalbe darüber beschwert?), die Kuh und der Ochs waren zufrieden (der Ochs?) und dem Schaf  war das alles einerlei.

Im Arabischen war man gewillt, unterscheiden zu können, ob sich da nur Männer zusammenrotteten, nur Frauen sich ein Stelldichein gaben, oder es sich um eine Mischpoke handelte.

Noam Chomsky, mittlerweile emeritierter Professor für Linguistik am Massachusetts Institute of Technology (MIT),  der großes Interesse an Sprachwissenschaft zeigte, verknüpfte dann die Wissenschaftsdisziplinen Linguistik, Kognitionswissenschaft und Informatik im Rahmen seiner Untersuchungen von formalen Sprachen zu einem Versuch einer Universal-Grammatik. Nun denn, damit waren der Compiler und die Automatentheorie geboren, welche heute die Grundlage bilden für  so manchen groben Unfug, welcher einem so im Laufe des Lebens an diesen neuen Geräten zur Kommunikation angeboten werden, wie zum Beispiel dieser Text. Nichts als Algorithmen, an welches Gerät sich einer auch aus Not oder Interesse an Entertainment wenden mag. Was die Frage aufwerfe, wie denn nun den Algorithmen beizubringen wäre, diesen Genus korrekt abzubilden und dies noch mittels der bescheidenen Mittel, welche dafür ausschließlich zur Verfügung stehen, der Null und der Eins.

Nun, wie wäre es damit, andere Erklärungsebenen zu bemühen, zum Beispiel die Feststellungen eines  alten Philosophen, welcher zwei Methoden anwandte, die analytische und die zusammensetzende Methode:

„Es scheint sich nun das Beseelte vom Unbeseelten vor allem durch zwei Dinge zu unterscheiden: Durch Bewegung und durch Wahrnehmung.“ [403b16]

Ein weiterer Philosoph griff diese Erkenntnisse auf, und entwickelte daraus drei Stufen auf Grundlage derer vorhandenen Funktionen, wobei die folgende Stufe auf den Funktionen der vorherigen Stufe aufbaue:  die vegetativen Gattungen, die tierischen Gattungen und die menschliche Gattung.  Die Funktion der vegetativen Gattungen beschränke sich auf das Wachstum, die Ernährung und die Zeugung. Die Funktion der tierischen Gattung  sei es, Einzelheiten wahrzunehmen und die willentlichen Bewegungen umzusetzen. Die Funktionsart der menschlichen Gattung, d.h. die Vernunft, werde aus der willentlichen Entscheidung erzeugt.

Wozu sollte sich folglich auf der Stufe drei sich einer darüber den Kopf zermartern, weil die alten Griechen noch nicht den Unterschied zwischen Gattung und Geschlecht kannten – Athene soll ja der Orestes-Sage nach dem Kopf des Zeus entsprungen sein -, und nun irgendjemand die steile These auf den Tisch knallte, es sei das sprachliche Element des Genus, welches unsägliches Unheil über die Menschen brächte und keineswegs deren Gesinnung, welche bekanntlich ja keineswegs aus dem Genus entstand – im anderen Fall hielten diese ja alle Frösche für Männer, alle Schwalben für Frauen und beim Schaf gäbe es weder das Eine noch das Andere – , kurz: sich mit dem Disput um korrekte und falsche Zuweisungen zu beschäftigen und damit wertvolle Zeit zu verlieren, die dazu geschaffen, zum Beispiel ein Gedicht von Sigurður Pálsson zu lesen, das von Erkenntnissen getragen wurde, wunderschön ins Deutsche übersetzt von Wolf Kühnelt, veröffentlicht im Jahr 1986 in der Ausgabe 143, 31. Jahrgang, Band 3 von „die horen“ (ISSN 0018-4942) :

Auf der Straße des Gedichts

Laß uns eine Spritztour machen
hinaus auf die Straße des Gedichts
Weg von hier ja weit weg
von der zitternden Einsamkeit in beißender Kälte
auf der leergefegten Hauptstadtbühne
dieser berstenden Kleinbürg
erhölle

Ich werde dich mit Worten streicheln
vor allem aber weg von hier
aus der Hölle der Konsumpflicht
der Apathie ewigen Widerkäuens
dem Gift der Zeitungssuppe

Ja laß uns einen Ausflug machen auf die Straße des Gedichts
Weg von der Schmeichelei der Unkritischen
Der Monotonie der Wortfaulen
Der Heuchelei der Sitzungssüchtigen
Selbstunterdrückten und sich selbst belügenden Unterdrücker

Weg von hier jetzt und sofort
hinaus auf die Straße des Gedichts
Brechen wir nach und nach alle Brücken ab
verlassen wir der Gletscherflüsse beständige Gefahren
Wandern wir zusammen auf dem Gedichtsweg
suchen wir und was wir finden
ist unser Fund und nicht
die vorgeschobene Wahrheit der Risikoscheuen

Weg von hier jetzt und sofort !
Von der Monotonie ungefährlicher Scheingefechte
Von der Monotonie selbstgefälliger Unveränderlichkeit
Von der Monotonie abgesicherter Wahrheitskommoden

Hinaus auf die Gedichtswege laß uns gehen
alles steht auf dem Spiel
Eigentum und Wissen und Programme
Kopf und Kragen

Aber vergiß nicht: das was wir finden
ist unser Fund“

besinnungs-los

Ljósmynd: Delphine & Thibault, www.omch.ch

Rasend auf geteerten Straßen
reißen Uhren uns entzwei
lassen uns den Tag durchrasen
fort vom Leben wie ein Schrei.

Hetzend, keuchend wie Maschinen
ducken wir uns jeder Macht
abends hinter den Gardinen
werden Träume umgebracht.

Müssen dieses, jenes haben
finden nie bei Neidern Ruh
sehen nicht die schwarzen Raben
schließen uns die Augen zu.

Schemen taumeln durch den Nebel
lallen blindlings ihren Wahn
lutschen gierig ihre Knebel
nichts begriffen, schon getan.

Jagend schieben sich die Zeilen
schwärzend auf ein Stück Papier
sollen kurz bei dir verweilen
zwischen Hast und Lebensgier.

Sehnen sich doch meine Hände
voller Sehnsucht nach den deinen
hören sich bis an ihr Ende
lauthals lachend lautlos weinen.

Meiner Lebensgefährtin in Dankbarkeit gewidmet, anläßlich unseres gemeinsamen 25. Hochzeitstages