Begriffsstutzig

troll-imadeWEB-1Tilvera: Es wird gesagt, Begriffe beruhten auf Übereinkunft, und ihre Bedeutung ergebe sich aus ihrem Gebrauch.“

Ónytjungur: „Du willst mir also erzählen, dass im Falle, Diebe kommen darin überein, das Fahrrad sei kein Diebesgut, sondern nur eine Ausleihung auf unbestimmte Zeit, dann …

Tilvera:Bist du heute von Begriffsstutzigkeit geplagt?

Ónytjungur: „Falls ja, dann mag das vielleicht daran liegen, dass mich die festgestellten Veränderungen im Gebrauch der Begriffe stutzig gemacht haben. Denn ich finde keine Übereinkunft mehr, keine einzige.“

Tilvera: „Als da wären? Ich meine die Veränderungen im Gebrauch der Begriffe.

Ónytjungur: „Wo soll ich anfangen, angesichts der großen Zahl an Veränderungen? Ich frage nur, denn das könnte dann etwas dauern.“

Tilvera: „Dann nimm das Unveränderte, also jene Begriffe, die auf Übereinkunft beruhen. Das müsste bei der großen Zahl an Veränderungen, und jener Begriffe, zu denen keine Übereinkunft besteht, ja kürzer werden.“  

Ónytjungur: „Als da wären?

Tilvera: „Wie wäre es zum Beispiel mit den Begriffen Absicht und Zweck. Nur um ein Beispiel zu nennen.

Ónytjungur: „Bist du heute von Begriffsstutzigkeit geplagt?

Tilvera: „Keineswegs. Bei beiden Begriffen herrscht Übereinkunft, sowohl was die Begriffe bedeuten, als auch deren Gebrauch.“

Ónytjungur: „Soso. Ich hörte aber davon, dass nun Absicht für Zweck ausgegeben, und wo Zweck vorhanden, dieser entweder auf Absicht oder auf Zufall beruhe.

Tilvera: „Es kann nicht anders sein.“

Ónytjungur: „Wie verhält es sich dann bei einem Neutron eines Uran-235-Atomkerns, und einer Person, die das Neutron aus dem Atomkern herausschießt? Das Neutron eines Uran-235-Atomkerns erfüllt nur einen bestimmten Zweck, es wäre sonst nicht an dieser Stelle, und wie wir wissen, das auch noch sehr erfolgreich, die Person hingegen verfolgt eine bestimmte Absicht. Beruht die Anwesenheit dieses Neutron nun auf Zufall, oder auf Notwendigkeit?”

Tilvera: „Wäre es nicht dort, wo es sich aufhältdann wäre schon längst geschehen, was geschehen wird, wenn die Absicht der Person in die Tat umgesetzt. Dann wäre aber auch nicht möglich, dass wir beide hier nun sitzen,  und du könntest auch nicht deine Begriffsstutzigkeit offenbaren.”

Ónytjungur: „Es ist auch davon zu lesen, die Gestalt der menschlichen Hand, die Anzahl ihrer Finger und deren Maße seien entweder aus Zufall oder aus Notwendigkeit so, wie sie sind.“

Tilvera: „Du schweifst ab. Es geht um Absicht und Zweck.“

Ónytjungur: „So ist es. Die Aussage über die menschliche Hand ist mittlerweile auch bereits 800 Jahre alt. Verhält es sich deiner Ansicht nach so, dass die Aufgabe der menschlichen Hand das Ergreifen ist, auch das Erfassen verschiedener Gegenstände, oder für die Angemessenheit, Werkzeuge zu halten?

Tilvera: „Deine Flucht in Trivialitäten macht deine Abschweifung nicht besser.“

Ónytjungur: „Das mag sein. Die Frage wäre doch, ob alles, was die menschliche Hand kann, was ja vom Wortsinne her Möglichkeit voraussetze – und ich hoffe, wir beide können wenigstens diesbezüglich auf eine Übereinkunft zurückgreifen -, auf deren Gestalt, der Anzahl ihrer Einzelteile und deren Maße beruhe – und ich hoffe, wir beide können auch hier auf eine Übereinkunft zurückgreifen -, …

Tilvera: „In beiden Fällen genehmigt.“

Ónytjungur: „ … und ob dies nun alles auf Zufall zurückzuführen wäre, oder auf Notwendigkeit.“

Tilvera: „Was hat das mit den Begriffen Absicht und Zweck zu tun? Willst du deine Abschweifung nicht langsam einstellen?

Ónytjungur: „Immer der Reihe nach. Vergiss nicht, wir beide bewegen uns im Augenblick auf der Ebene der Sprache, sind demnach dem Vokabular, der Grammatik, der Syntax und der Semantik dieser Sprache unterworfen. Da ist notwendig, diese einzuhalten, es sei denn, einer wolle nicht verstanden werden. Dann stellte sich jedoch die Frage, wozu er dann die Stille durch Geräusche störe, oder das Sichtbare durch Geschreibsel.

Tilvera: „Und?

Ónytjungur: „Wenn es also so ist, dass die menschliche Hand so ist wie beschrieben, und damit die Aufgabe erfülle, Dinge zu ergreifen, verschiedene Gegenstände zu erfassen, oder angemessen Werkzeuge zu halten, ist es dann nicht so, dass sie ihren Zweck erfülle, und dies nur darauf zurückzuführen ist, dass sie so ist, wie sie ist?

Tilvera: „Wäre sie anders, zum Beispiel so, dass es die Daumen nicht gäbe, sie erfüllte nicht …

Ónytjungur: „Willst du mir  gerade erzählen, dass zur Erfüllung der beschriebenen Aufgaben die menschliche Hand notwendig sei so wie sie ist?

Tilvera: „Sie wäre sonst für die Erfüllung der beschriebenen Aufgaben nicht so brauchbar, also für solche Zwecke.“

Ónytjungur: „Und aus welchem Grund kommt dann einer auf die Idee, es beruhe nur auf Zufall, dass die Hand so ist wie sie ist? Denn beruhe sie auf Zufall, dann würde es keinen Unterschied machen, ob den Menschen die Hand eigentümlich ist oder etwa Hufe oder irgendwelche anderen Körperteile, die den verschiedenen Tieren eigentümlich sind. Denn der Zufall benötigt keinen Grund, und benötige er einen, so wäre er nicht Zufall. Ist es nun die Aufgabe, also der Zweck, welche die menschliche Hand so formte wie sie ist, oder der Zufall? Denn der Zufall hätte auch zu einem Huf führen können.

Tilvera: „Die Form könnte auf Versuch und Irrtum beruhen.“

Ónytjungur: „Ein Huf wäre aber kein Irrtum, wie die Pferde belegen. Kein Zweifel möglich, es schätzt der Mensch die Logik; so sie nicht mit einer Idee kollidiere. Womit du auch noch unweigerlich bei der Absicht angekommen.“

Tilvera: „Ich bin nur bei Versuch und Irrtum angekommen.“

Ónytjungur: „Setzt Versuch nicht Absicht voraus? Beschreibt der Begriff Versuch doch, dass da etwas sei, was nicht so hingenommen, und daher zu probieren sei, wie probiert werde, einen anderen Zustand herzustellen, statt sich damit abzufinden. Setzt probieren nicht Absicht voraus? Ist doch etwas, was nicht so hingenommen werde, und daher ein anderer Zustand herbeigeführt werden solle, ein Beweggrund. Oder herrscht auch bei dem Begriff Beweggrund mittlerweile keine Übereinkunft mehr, und dessen Bedeutung ergebe sich nur nun aus seinem Gebrauch?“   

Tilvera: „Dann sage, es sei ein Motiv.“

Ónytjungur: „Wie auch immer. Vom logischen Standpunkt aus betrachtet würde es stets darauf hinauslaufen, dass der Zufall eine Absicht verfolgen müsse, also einen Beweggrund habe, du kannst es auch gerne Motiv nennen. Dumm nur, dass probieren dann nicht auf Zufall beruhe, da Beweggrund vorhanden, daher Zufall sich nur für einen solchen ausgebe.“

Tilvera: „Du sprichst in Rätseln.“

Ónytjungur: „Beweggrund ist eine Schranke, und ich hoffe, dass dazu wenigstens noch eine Übereinkunft existiere. Wenn alles Zufall ist, dann kann es auch keine Notwendigkeit geben, schließt doch das eine das andere aus. Da bei Notwendigkeit noch Möglichkeiten existierten, die nicht Notwendigkeit, da Notwendigkeit ja genau nur eine der Möglichkeiten, so wie auch Unmöglichkeiten existierten, so sind es die Unmöglichkeiten, die den Möglichkeiten – damit auch der Notwendigkeit – Schranken setzen, denn sonst ergäben alle drei Begriffe keinen Sinn. Dem Zufall hingegen können keine Schranken gesetzt sein, denn gäbe es da auch nur eine einzige, so wäre Zufall auch nicht mehr Zufall.“

Tilvera: „Na, dann bleibt mir wenigstens erspart, Zufall zu sein. Denn mir sind eine Fülle von Schranken gesetzt.“

Ónytjungur: „Nun verhält es sich aber auch noch so, dass Absicht eine Entscheidung voraussetze, und Entscheidung vorhandene Alternativen, denn wo keine Alternative, ist auch nichts zu entscheiden, und wo keine Entscheidung möglich, ist auch keine Absicht möglich. Wird probiert, so müssen zwar Alternativen gegeben sein, also mindestens zwei, allerdings ist bei probieren keine Entscheidung erforderlich, welche der Alternativen jetzt versucht, welche nicht, und welche später. Dabei wird aber übersehen, dass davor eine Entscheidung erfolgt sein muss, denn …

Tilvera: „… dies ergibt sich daraus, dass da etwas war, was nicht so hingenommen, und daher probiert wurde, einen anderen Zustand herzustellen, statt sich damit abzufinden, was einen Beweggrund konstituiere, ich weiß. Du weißt, was ein Korinthenkacker ist?

Ónytjungur: „Wer sagt, dass ich rechthaben möchte? Das genaue Gegenteil ist der Fall, ich bin nur ein Opfer meiner eigenen Begriffsstutzigkeit.“

Tilvera: „ Na, dann.

Ónytjungur: „Absicht setzt zudem vorhandenes Interesse voraus. Es sei denn, es wäre möglich, dass eine Absicht hinsichtlich etwas verfolgt werde, an dem gar kein Interesse bestehe. Das wäre aber meines Erachtens ein sehr merkwürdiges Gebaren. Führte es doch dazu, dass Zufall auch noch ein Interesse habe. Schon erstaunlich, welche Eigenschaften Zufall aufweist. Wenn also Absicht eine Entscheidung voraussetze, Entscheidung wiederum alternative Angebote voraussetze, so ist zu sagen, dass Zweck im Gegensatz hierzu weder alternative Angebote noch Entscheidung erfordere. Er ist einfach erfüllt, oder eben nicht. Können wir beide dahingehend zu einer Übereinkunft kommen?

Tilvera: „Meinetwegen. Falls sie dazu geeignet, die Angelegenheit zu verkürzen. Bist du nun mit deinen persönlichen Erkenntnissen über Wirklichkeit und Wahrheit fertig?

Ónytjungur: „Es gibt solche, die aussagen, Erkenntnis von Wirklichkeit und Wahrheit sei nicht möglich, und solche, die aussagen, sie verfügten über Erkenntnis von Wirklichkeit und Wahrheit. Beide Aussagen sind von gleicher Qualität. Denn die einen können es nicht wissen, und die anderen sich nur irren.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert